Saigon - Berlin Thriller
Kampfdrache, den ich mir da angelacht hatte.
»Wer sind diese Menschen hier?«
Kleiner Drache bestellte. Ich protestierte. Sie lächelte.
»Keine Angst. Wir sind hier nicht auf dem Markt. Du bekommst Fisch.«
»Und die reichen Herren hier?«
Sie studierte die leise plaudernde Gästeschar.
»Alles Parasiten des Krieges. Sie machen ihr Geld damit, alles zu beschaffen, was jemand braucht. Egal, ob es Viets, Chinesen, Khmer oder Vietcong sind. Waffen, Textilien, Funkgeräte, Panzer, Flugzeuge. Sie sind Sampans.«
»Also Mafiosi?«, hakte ich nach.
Kleiner Drache überlegte einen Moment. »Ich weiß von der Mafia zu wenig. Gehört habe ich davon. Aber so ehrenwert und gleichzeitig brutal wie die Leute hier kann sie nicht sein.«
Die Getränke kamen. Kleiner Drache trank Tee. Wir knabberten Gebäck. Es sah wie zu schmal geratene Kartoffelchips aus. Rötlich, mit Paprika. Sie knackten auch so, wenn man darauf biss. Ich stopfte mir eine Hand voll in den Mund, kaute und spuckte alles aus. Es brannte wie Feuer auf der Zunge.
»Was zur Hölle ist das denn?«, keuchte ich nach Luft ringend.
Die Gäste lachten. Kleiner Drache lachte.
»Das sind Reischips, im Gift der Feuerraupen gebacken. Eine Delikatesse. Es regt die Verdauung an.«
»Wie teuer?«, würgte ich. Kleiner Drache fragte die Dame in Silber, die sich mühsam das Lachen verbiss.
»Das geht aufs Haus. Das ist der Begrüßungscocktail für neue Gäste.«
Ich versuchte es noch einmal, um mich nicht völlig lächerlich zu machen. Die Gäste nickten bewundernd und gaben sich wieder ihren Gesprächen hin. Es schmeckte nach dem ersten Schock nicht einmal schlecht. Zusammen mit Bier und Whiskey konnte man sich daran gewöhnen.
»Jede Mafia der Welt hat nur ein Ziel, mögliche Widersacher möglichst schnell und unauffällig aus dem Weg zu räumen. Aber die hier?«, fuhr Kleiner Drache fort. »Diese Menschen hier lieben es, ihren Widersachern noch eine zusätzliche Schlappe zuzufügen. Der Tote wird enthäutet, enthauptet und der Gegenseite zugeschickt. Damit alle sehen, mit wem sie es zu tun haben.«
Mir war bei der Vorstellung nicht wohl, hier etwas essen zu müssen. Was bekam ich? War das der Gegner eines anderen? Enthäutet und gekocht?
Die Vorspeise kam. Sie war ausgebacken. Wieder nicht erkennbar, was der Eierteig enthielt. Kleiner Drache grinste.
»Es ist nur Seetang mit Krabben.«
»Ganz sicher? Sonst zahle ich nicht.«
Sie nickte und biss ein Stück an. Hielt es mir unter die Nase.
»Hier bekommst du keine Speise für arme Leute.«
Das war zwar beruhigend, aber der Preis würde auch nicht für einen armen Journalisten gedacht sein, der eine Bauernfamilie, zwei Wasserbüffel und eine Konkubine zu unterhalten hatte. Mir musste etwas einfallen, um einen haarsträubenden Einsatz zu bekommen. Sonst war Schluss mit lustig. Der Verlag würde mir keine weitere Verlängerung des Kreditbriefes genehmigen.
Das Essen war köstlich. Kleiner Drache hatte sich in dieser Gesellschaft richtig wohl gefühlt und daraus keinen Hehl gemacht, dass ich ihr Gönner war. Sie trank weiter Tee. Ich Bier und Whiskey. Ich aß immer noch diese Chips. Sie strahlten ein wohliges Gefühl in der Magengegend aus. Als stürze sich ihr Gift auf alles, was zur Verdauung von oben kam.
»Kannst du mal jemandem sagen, dass ich bezahlen will?«, flüsterte ich Kleiner Drache zu. Mir war plötzlich nicht wohl, dass ich Ali im L'Étoile versetzt hatte. Ich vergnügte mich hier und hatte noch nicht das geringste Ergebnis an meinen Brötchengeber geliefert.
Die Frau in Silber reichte Kleiner Drache einen Zettel, der wie ein Kassenbon aussah. Sie las ihn und reichte ihn mir.
»Der untere Teil ist in Viet. Der obere ist wohl nur für dich bestimmt.«
Ich las. Es war handschriftlich in Englisch und Viet.
»Das Dinner geht auf das Haus. Wir bleiben in Kontakt.«
»Steht da in eurer Sprache etwas anderes?«, fragte ich.
Kleiner Drache nickte. »Ja, dass uns in fünf Minuten ein Taxi ins Hotel bringen wird. Entschuldige. Bin gleich wieder da. Darf ich die Pistole und mein Schminkzeug haben?«
Ich schob ihr beides unter dem Tisch zu, froh, dieses Ding aus meiner Tasche zu haben. Da kamen nun meine Papiere hinein. Sie war mit zwei Knöpfen gesichert. Aber mit meiner allgemeinen Sicherung musste ich mir noch etwas einfallen lassen. Jeans, Polohemd und eine Sportjacke waren nicht die angebrachte Kleidung. Hier fiel ich damit auf, wie Hemingway in Unterhosen auf einer Safari. Uniformen,
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