Sakrileg – The Da Vinci Code: Inkl. Leseprobe aus „Inferno“
großen Kamin auf und ab.
»Ja, der Heilige Gral«, begann er im Tonfall eines Predigers. »Meistens werde ich gefragt, wo er ist, und diese Frage, fürchte ich, werde ich nie beantworten können.« Er blickte Sophie scharf an. »Aber die viel wichtigere Frage lautet: Was ist der Gral?« Er schaute Langdon an, der zustimmend nickte. »Wenn wir den Gral verstehen wollen«, fuhr Teabing fort, »müssen wir zuerst die Bibel verstehen. Wie gut kennen Sie das Neue Testament, Sophie?«
Sie hob die Achseln. »Eigentlich gar nicht. Ich bin bei einem Mann aufgewachsen, der Leonardo da Vinci angebetet hat.«
Teabing sah erstaunt und erfreut zugleich aus. »Eine erleuchtete Seele! Hervorragend. Dann muss Ihnen bekannt sein, dass Leonardo einer der Hüter des Gralsgeheimnisses gewesen ist. Er hat viele versteckte Hinweise in sein künstlerisches Schaffen einfließen lassen.«
»Ja, das hat Mr Langdon mir schon erläutert.«
»Und wie steht es mit Leonardos Sichtweise des Neuen Testaments?«
»Darüber weiß ich überhaupt nichts.«
Mit leuchtenden Augen wies Teabing auf das Bücherregal an der anderen Wand. »Wären Sie bitte so freundlich, Robert? Im untersten Fach. La Storia di Leonardo.«
Langdon nahm einen großen Band vom Regal und legte ihn auf den Tisch vor dem Sofa. Teabing drehte das Buch zu Sophie und schlug die Innenseite des hinteren Einbanddeckels auf, wo eine Reihe von Zitaten abgedruckt war. »Das ist aus Leonardos Notizen zu Polemik und Mutmaßungen«, sagte er und deutete auf eines der Zitate. »Ich glaube, das hier wird Ihnen bei unserer Diskussion weiterhelfen.«
Sophie las:
Viele haben aus Täuschungen
und falschen Wundern
ein Geschäft gemacht
und führen die törichte Menge
hinters Licht.
– LEONARDO DA VINCI –
»Hier ist noch eins«, sagte Teabing.
Unkenntnis blendet und lässt uns in die Irre gehen.
Oh, ihr elenden Sterblichen, öffnet die Augen.
– LEONARDO DA VINCI –
Sophie fröstelte plötzlich. »Meint da Vinci etwa die Heilige Schrift?«
Teabing nickte. »Leonardos Einstellung zur Heiligen Schrift hat unmittelbar mit dem Heiligen Gral zu tun. Er hat den wahren Heiligen Gral sogar gemalt, wie ich Ihnen gleich zeigen werde, aber zuerst müssen wir uns noch ein bisschen über die Bibel unterhalten.« Teabing lächelte. »Die Quintessenz dessen, was man wissen muss, hat der großartige Theologe Martyn Pervy in einem Satz zusammengefasst.« Teabing räusperte sich. »Die Heilige Schrift ist uns nicht per Fax vom Himmel zugegangen.«
»Bitte?«
»Er meint damit, dass die Heilige Schrift keine Schöpfung Gottes ist, sondern der Menschen. Sie ist nicht auf wundersame Weise irgendwann einmal fertig vom Himmel gefallen. Die Menschen haben sie als Chronik eines dramatischen Zeitgeschehens geschaffen. Die Heilige Schrift hat sich angesichts zahlloser Hinzufügungen, Korrekturen und Neuübersetzungen verändert und fortentwickelt. Es hat nie eine endgültige Version des Buchs der Bücher gegeben.«
»Ich verstehe.«
»Christus war eine historische Gestalt von unerhörter Wirkung, vielleicht die geheimnisvollste und inspirierendste Führergestalt, die die Welt je gesehen hat. Als der Messias der Prophezeiung ließ er Könige stürzen, führte Millionen Menschen zu einem neuen Aufbruch und begründete eine neue Weltanschauung. Als unmittelbarer Abkömmling der Könige Salomon und David hatte Jesus einen legitimen Anspruch auf den jüdischen Königsthron. Kein Wunder also, dass sein Leben von Tausenden seiner Anhänger im ganzen Land aufgezeichnet wurde.« Teabing genehmigte sich einen Schluck Tee und stellte die Tasse auf dem Kaminsims ab. »Es gab mehr als achtzig Evangelien, die für das Neue Testament zur Auswahl standen, dennoch kamen nur vier zum Zuge – die Evangelien des Matthäus, Markus, Lukas und Johannes.«
»Und wer hat bestimmt, welche Evangelien ausgewählt wurden?«, wollte Sophie wissen.
»Ah!« Teabing war von seiner aufmerksamen Zuhörerin sehr angetan. »Hier stoßen wir auf die grundlegende Ironie des Christentums! Das Neue Testament, wie wir es heute kennen, geht auf den heidnischen römischen Kaiser Konstantin den Großen zurück.«
»Ich dachte immer, Konstantin der Große sei Christ gewesen«, wandte Sophie ein.
»Wohl kaum«, spöttelte Teabing. »Er war sein Leben lang Heide. Man hat ihn auf dem Totenbett getauft, als er sich nicht mehr dagegen wehren konnte. Zu Konstantins Zeiten war die offizielle römische Religion der Sonnenkult des Sol Invictus ,
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