Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
Vom Netzwerk:
ihr die Wehen erleichtern.
    Der Regen schlug auf die Terrassen und überschwemmte sie, bildete Teiche auf den Höfen, Wasserfälle auf den Treppen und Strudel an den Straßenecken. Er ergoss sich hier in schweren trüben Massen, dort in hurtigen Strahlen. Von allen Hausgiebeln plätscherten breite schäumende Fluten herunter, und an den Mauern hing der Regen wie loses graues Tuch. Die abgespülten Tempeldächer blinkten im Schein der Blitze. In tausend Rinnen stürzten Kaskaden von der Akropolis herab. Häuser brachen zusammen, und Dachbalken, Stuck und Gerät schwammen in den Bächen, die jäh über das Pflaster hin schossen.
    Man hatte Schüsseln und Krüge aufgestellt und Segel ausgespannt. Die Fackeln erloschen. Man nahm glimmende Scheite aus der Glut Molochs. Auf den Straßen bogen sich die Leute hintenüber und öffneten den Mund, um den Regen zu trinken. Andere lagen am Rand schmutziger Pfützen, tauchten die Arme bis zu den Achseln hinein und schlürften sich so voll Wasser, dass sie es wie Büffel wieder ausspien. Allmählich wurde die Witterung kühl und frisch. Alle sogen die feuchte Luft ein und reckten die Glieder, und diesem Wonnerausch entsprang alsbald eine grenzenlose Zuversicht. Alles Elend war vergessen. Das Vaterland musste wieder auferstehen.
    Man empfand das Bedürfnis, die maßlose Wut, die man in sich selbst nicht verarbeiten konnte, an anderen auszulassen. Das Opfer durfte nicht nutzlos bleiben. Wenngleich niemand Reue empfand, so fühlten sich doch alle von jener Raserei ergriffen, die aus der Mitschuld an unsühnbarem Verbrechen ersteht.
    Das Gewitter hatte die Barbaren in ihren schlecht schließenden Zelten überrascht. Noch am nächsten Tage wateten sie völlig durchnässt im Schlamm umher und suchten ihre verdorbenen Vorräte und verlorenen Waffen zusammen.
    Hamilkar begab sich aus freien Stücken zu Hanno und übergab ihm kraft seiner Machtbefugnisse den Befehl über die Stadt. Der alte Sufet schwankte eine Weile zwischen Groll und Herrschsucht. Schließlich aber nahm er an.
    Hierauf ließ Hamilkar eine Galeere auslaufen, die am Bug wie am Steuer mit je einer Schleuder ausgerüstet war. Sie ging im Golf dem Floß gegenüber vor Anker. Sodann schiffte er seine Kerntruppen auf den noch verfügbaren Schiffen ein. Er entfloh offenbar. Nach Norden steuernd, verschwand er im Nebel.
    Doch drei Tage später – man wollte eben von neuem Sturm laufen – kamen Leute von der libyschen Küste unter großem Geschrei in das Söldnerlager. Barkas sei bei ihnen gelandet, mache überall Eroberungen und ginge immer weiter hinein in das Land.
    Die Barbaren entrüsteten sich darüber, als ob Hamilkar sie verraten hätte. Die der Belagerung Überdrüssigen, besonders die Gallier, verließen ohne weiteres die Belagerungswerke, um zu ihm zu stoßen. Spen­dius wollte die Helepolis wieder aufbauen. Matho hatte in Gedanken eine Linie von seinem Zelt bis nach Megara gezogen und sich geschworen, auf ihr schnurstracks vorzurücken. Von den Mannschaften beider Befehlshaber rührte sich keiner vom Fleck. Die anderen zogen unter Autarits Führung ab und gaben damit den westlichen Teil der Stadtmauer frei. Die Sorglosigkeit war so groß, dass man gar nicht daran dachte, die Weggegangenen zu ersetzen.
    Naravas belauerte dies von fern in den Bergen. Während der Nacht ritt er mit allen seinen Numidiern auf der Seeseite der Lagune am Meeresgestade hin und zog in Karthago ein.
    Hier erschien er mit seinen sechstausend Mann als Retter in der Not. Sie trugen Mehl unter den Mänteln. Seine vierzig Elefanten waren mit Futter und getrocknetem Fleisch beladen. Man drängte sich um sie und gab ihnen freundliche Namen. Denn mehr noch als die Ankunft einer solchen Hilfe erfreute die Karthager der Anblick dieser gewaltigen, dem Sonnengott geweihten Tiere. Sie waren ein Unterpfand seiner Gnade, ein Zeichen, dass er ihnen endlich beistehen und in den Krieg eingreifen wolle.
    Naravas nahm die höflichen Worte der Alten entgegen. Dann stieg er zu Salambo die Palasttreppe empor.
    Er hatte sie nicht wieder gesehen, seit er in Hamilkars Zelt, im Schoß der fünf Heere, ihre kleine, weiche, kühle Hand in der seinen gehalten hatte. Nach der Verlobung war sie nach Karthago zurückgekehrt. Seine Liebe, die eine Weile seinen ehrgeizigen Plänen gewichen war, erwachte von neuem. Jetzt gedachte er in

Weitere Kostenlose Bücher