Salambo
blickte man einander an. Keiner hatte noch Mut. Allen lief es eiskalt über den Rücken. Die Lider wurden ihnen schwer wie Blei. Und doch rafften sie sich wieder auf und rannten gegen die Felsen an. Aber die unteren standen durch das Gewicht der darüber liegenden unerschütterlich fest. Man versuchte daran hoch zu klettern, um den Höhenzug zu erreichen, aber die bauchige Gestalt der Steinsäulen bot nirgends Stützpunkte. Man wollte den Fels zu beiden Seiten der Schlucht aufmeiÃeln, aber die Werkzeuge zerbrachen. Aus den Zeltstangen zündete man ein groÃes Feuer an, aber verbrennen konnte man das Felsengebirge nicht.
Man wandte sich wiederum gegen das Drahthindernis. Es starrte von langen pfahldicken Nägeln, spitzer als die Stacheln eines Igels und dichter als die Borsten einer Bürste. Die Söldner wurden von einer solchen Wut ergriffen, dass sie dagegen anstürmten. Aber die Vordersten wurden bis ins Rückgrat durchstochen, die nächsten prallten zurück, und schlieÃlich lieà man davon ab, Fleischfetzen und blutige Haarbüschel an den entsetzlichen Stacheln zurücklassend.
Als sich die Aufregung etwas gelegt hatte, stellte man fest, wie viel Lebensmittel noch vorhanden waren. Die Söldner, deren Gepäck verloren gegangen war, besaÃen kaum noch für zwei Tage Vorrat und die übrigen Truppen überhaupt keinen, da sie mit einem von den Dörfern des Südens versprochenen Nachschub gerechnet hatten.
Noch streiften aber die Stiere umher, die von den Karthagern in die Schlucht getrieben worden waren, um die Barbaren anzulocken. Man tötete sie mit Lanzenstichen und verzehrte sie, und als die Magen gefüllt waren, heiterten sich die Gedanken ein wenig auf.
Am folgenden Tage schlachtete man alle Maultiere, etwa vierzig Stück. Dann zog man die Häute ab, kochte die Eingeweide und zerstieà die Knochen zu Mehl. Noch verzweifelte man nicht. Das Heer in Tunis musste ohne Zweifel Kunde erhalten und zum Ersatz anrücken!
Am Abend des fünften Tages war der Hunger wieder groÃ. Man nagte schon an den Lederkoppeln und den kleinen Schwämmen, die im Innern der Helme angebracht waren.
So waren vierzigtausend Menschen in einer Art von Rennbahn zusammengepfercht, rings von hohen Bergwänden umschlossen. Einige blieben vor dem Drahthindernis, andere an den Felsblöcken am Eingang. Die übrigen lagerten ohne Ordnung im ganzen Talkessel. Die Starken gingen einander aus dem Weg, und die Furchtsamen suchten die Mutigen auf, die ihnen jedoch auch nicht helfen konnten.
Man hatte die Leichen der punischen Leichtbewaffneten wegen ihrer Ausdünstung sofort verscharrt. Die Grabstellen waren nicht mehr zu erkennen.
Die Barbaren lagerten entkräftet am Boden. Nur hier und da schritt ein Veteran durch die Reihen. Man heulte Verwünschungen gegen die Karthager, gegen Hamilkar und sogar gegen Matho, obwohl er an diesem Missgeschick unschuldig war. Viele bildeten sich jedoch ein, dass die Leiden geringer sein mussten, wenn er bei ihnen wäre. Nun seufzten sie. Manche weinten leise wie kleine Kinder.
Man ging zu den Hauptleuten und bat sie um Linderungsmittel. Die aber antworteten nicht oder griffen wutentbrannt nach Steinen und warfen sie den Leuten ins Gesicht.
Manche bewahrten in Erdlöchern sorgfältig einen kleinen Essvorrat auf, ein paar Hände voll Datteln und etwas Mehl. Davon aÃen sie des Nachts, wobei sie den Kopf unter ihrem Mantel verbargen. Wer ein Schwert besaÃ, hielt es gezückt in der Hand. Noch Misstrauischere blieben an die Felswand gelehnt stehen.
Man beschuldigte die Obersten und bedrohte sie. Autarit lieà sich trotzdem ohne Furcht blicken. Mit der Hartnäckigkeit des Barbaren, der vor nichts zurückschreckt, ging er jeden Tag zwanzig mal bis zu den Felsblöcken, immer in der Hoffnung, sie vielleicht verschoben zu finden. Die wiegende Bewegung seiner breiten pelzbedeckten Schultern erinnerte seine Gefährten an den Gang eines Bären, der im Frühjahr aus seiner Höhle hervorkommt, um zu sehen, ob der Schnee geschmolzen ist.
Spendius dagegen verbarg sich mit anderen Griechen in einer der Felsspalten. Er hatte Furcht und lieà das Gerücht verbreiten, er sei gestorben.
Die Söldner waren jetzt alle von erschreckender Magerkeit. Ihre Haut bedeckte sich mit bläulichen Flecken. Am Abend des neunten Tages starben drei Iberer. Ihre entsetzten Gefährten verlieÃen die Stelle. Man
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