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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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entkleidete sie, und die nackten weißen Leiber blieben in der Sonne auf dem Sand liegen.
    Da begannen die Garamanten langsam um sie herumzuschleichen. Es waren Leute, die an das Leben in der Wüste gewöhnt waren und die keinen Gott fürchteten. Schließlich gab der Älteste der Schar ein Zeichen. Die anderen beugten sich über die Leichen und schnitten mit ihren Messern Streifen Fleisch heraus. Auf den Fersen hockend, verzehrten sie es. Die übrigen Barbaren sahen von weitem zu. Man stieß Schreie des Abscheus aus, und doch beneideten viele sie insgeheim um ihren Mut.
    Einige von ihnen kamen dann mitten in der Nacht näher und baten, ihre Begierde verhehlend, um einen kleinen Bissen, nur um davon zu kosten, wie sie sagten. Kühnere traten hinzu. Ihre Zahl wuchs. Bald war es ein ganzer Haufen. Die meisten ließen jedoch die Hand wieder sinken, als sie das kalte Fleisch an ihren Lippen fühlten. Manche freilich verschlangen es mit Wonne.
    Um durch ein Beispiel verführt zu werden, munterte man sich gegenseitig auf. Mancher, der das Leichenfleisch anfangs zurückgewiesen hatte, ging zu den Garamanten und kam nicht wieder. Man briet die Stücke an den Schwertspitzen über Kohlenfeuer, salzte sie mit Sand und stritt sich um die besten Bissen. Als von den drei Toten nichts mehr übrig war, schweiften die Augen der Esser über die ganze Ebene, um andere zu erspähen.
    Hatte man im letzten Treffen nicht zwanzig Karthager gefangen genommen, die bisher niemand beachtet hatte? – Sie verschwanden. Das war obendrein eine Rache! Und da man leben musste, da sich der Geschmack an solcher Nahrung entwickelt hatte, da man am Verhungern war, so schlachtete man weiterhin die Wasserträger, die Trossknechte und die Burschen der Söldner. Jeden Tag wurden ein paar abgestochen. Manche aßen viel, kamen wieder zu Kräften und waren nicht mehr traurig.
    Bald aber versiegte diese Hilfsquelle. Nun wandte sich die Gier gegen die Verwundeten und Kranken. Da sie doch nicht wieder gesund würden, sei es besser, sie von ihren Qualen zu erlösen. Sobald ein Mann matt wurde, schrien alle, er sei verloren und müsse den anderen als Speise dienen. Um den Tod solcher Unglücklichen zu beschleunigen, wandte man Hinterlist an. Man stahl ihnen den letzten Rest ihrer Nahrung oder trat wie aus Versehen auf sie. Damit man sie für frisch und kräftig halte, versuchten die Sterbenden, die Arme auszustrecken, aufzustehen, zu lachen. Ohnmächtige erwachten bei der Berührung schartiger Klingen, die ihnen ein Glied vom Leibe sägten. Manche mordeten auch ohne Bedürfnis, aus Blutgier, um die Wut zu stillen.
    Ein schwerer schwüler Nebel, wie er in diesen Landstrichen gegen das Ende des Winters eintritt, senkte sich am vierzehnten Tage auf das Heer herab. Dieser Witterungswechsel führte zahlreiche Todesfälle herbei, und in der feuchten Hitze, die sich zwischen den Felswänden verfing, vollzog sich die Verwesung mit entsetzlicher Schnelligkeit. Der Sprühregen, der auf die Leichen niederfiel, weichte sie auf und verwandelte den ganzen Talkessel alsbald in eine riesige Aasgrube. Weiße Dünste wogten über ihr, reizten die Nase, durchdrangen die Haut und trübten die Augen. Die Barbaren glaubten den ausgehauchten Odem, die Seelen ihrer toten Kameraden zu spüren. Ungeheurer Ekel ergriff sie. Sie vermochten keine Leiche mehr anzurühren. Lieber wollten sie selber sterben.
    Zwei Tage später wurde das Wetter wieder klar, und der Hunger stellte sich von neuem ein. Bisweilen war es den Leidenden, als risse man ihnen den Magen mit Zangen aus dem Leibe. Sie wälzten sich in Krämpfen, steckten sich Hände voll Erde in den Mund, bissen sich in die Arme und brachen in irres Gelächter aus.
    Quälender noch war der Durst. Man hatte keinen Tropfen Wasser mehr. Die Schläuche waren seit dem neunten Tage völlig leer. Um den Gaumen zu täuschen, legte man sich die Metallschuppen der Koppeln, die Elfenbeinknäufe und die Klingen der Schwerter auf die Zungen. Ehemalige Karawanenführer schnürten sich den Leib mit Stricken zusammen. Andere saugten an Kieselsteinen. Man trank Urin, den man vorher in den ehernen Helmen erkalten ließ. Und immer noch wartete man auf das Heer von Tunis! Dass es so lange dauerte, bis es eintraf, das war – so bildete man sich ein – eine Gewähr für sein baldiges Erscheinen. Überdies sei Matho ein wackerer Mann,

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