Salambo
ganz Karthago bis zum StraÃenpflaster und den Fluten des Golfes, zerreiÃen, zermalmen, vernichten konnten. So bestimmten denn die Alten, dass er ohne Geleit, die Hände auf den Rücken gebunden, von seinem Kerker bis zum Khamon-Platz gehen sollte. Man verbot aber, ihn ins Herz zu treffen â damit er möglichst lange lebe â, oder ihm die Augen auszustechen â, damit er seine Marter bis zu Ende selber sehen könne. Auch durfte nicht nach ihm geworfen werden, und niemand sollte ihn mit mehr als drei Fingern berühren. 1
Obwohl er erst gegen Abend losgelassen werden sollte, glaubte man ihn lange vorher schon ein paar Mal zu erblicken. Man stürzte nach der Burg. Die StraÃen leerten sich, dann aber kehrte man mit lautem Murren wieder zurück. Einzelne standen schon seit dem frühen Morgen auf ein und derselben Stelle. Sie riefen einander von weitem zu und zeigten ihre Fingernägel, die sie sich spitz zugeschnitten hatten, um sie recht tief in Mathos Fleisch bohren zu können. Andere gingen aufgeregt auf und ab. Manche waren so blass, als ob sie ihrer eigenen Hinrichtung entgegen sehen würden.
Plötzlich tauchten am Ende der MappalierstraÃe hohe Federfächer über den Köpfen auf. Das war Salambo, die vom väterlichen Palast her nahte. Seufzer der Erleichterung liefen durch die Menge.
Aber es dauerte noch lange, ehe der Zug herankam. Er bewegte sich feierlich-langsam.
Zuerst zogen die Priester der Kabiren heran, dann die Eschmuns, Melkarths, und alle übrigen Priesterschaften, eine nach der anderen, mit denselben Abzeichen und der gleichen Ordnung wie damals beim Opfer. Die Molochpriester kamen mit gesenkter Stirn. Die Menge, von einer Art Reue ergriffen, wich vor ihnen zurück. Die Priester der Tanit aber nahten stolzen Schrittes, Leiern in den Händen. Die heiligen Hetären folgten ihnen in durchsichtigen Gewändern von gelber oder von schwarzer Farbe. Sie stieÃen Vogelrufe aus, wanden sich wie Schlangen oder drehten sich zum Flötenklang im Kreise, um den Reigen der Sterne nachzuahmen. Ihren leichten Gewändern entströmten schwere Düfte überallhin. Mit besonderem Beifall begrüÃte man unter diesen Weibern die Kedischim mit ihren bemalten Augenlidern. Sie versinnbildlichten die Doppelgeschlechtlichkeit der Gottheit. Ihnen waren die Wohlgerüche und die gleiche Tracht eigen wie den priesterlichen Hetären, denen sie trotz ihrer flachen Brüste und ihrer schmalen Hüften ähnelten. Ãberhaupt beherrschte und erfüllte die Verherrlichung des Weiblichen an diesem Tage alles. Eine mystische Lüsternheit schwängerte die schwüle Luft. Schon flammten die Fackeln in der Tiefe der heiligen Haine auf, wo in der Nacht eine allgemeine geschlechtliche Orgie stattfinden sollte. Drei Schiffe aus Sizilien hatten Dirnen hergeführt, und auch aus der Wüste waren welche gekommen.
Die Priesterschaften stellten sich in der Reihenfolge ihres Eintreffens auf, in den Höfen, in den Vorhallen und längs der doppelten Treppen des Tempels, die an der Mauer empor liefen und sich oben wieder einander näherten. Reihen langer weiÃer Gewänder wehten zwischen den Säulen, und der ganze Bau bevölkerte sich mit lebendigen Bildsäulen, die unbeweglich wie Steinbilder standen.
Dann kamen die Würdenträger, die Statthalter der Provinzen und alle Patrizier. Unten erhob sich gewaltiges Getöse. Aus den anstoÃenden StraÃen strömte das Volk hervor. Tempeldiener stieÃen es mit Stockschlägen zurück. Umschart von Gerusiasten, die goldene Tiaren trugen, erschien jetzt in einer Sänfte, unter einem hohen purpurnen Baldachin, Salambo.
Ungeheures Geschrei ertönte. Die Zimbeln und Kastagnetten schallten lauter, die Tamburine rasselten, und der groÃe Purpurbaldachin verschwand zwischen den beiden Pylonen.
Auf dem ersten Stockwerk kam er wieder zum Vorschein. Salambo schritt, nunmehr zu FuÃ, langsam unter ihm hin und dann quer über die Terrasse, um sich im Hintergrund auf einem Thron niederzulassen, der aus einer Schildkrötenschale geschnitzt war. Man schob ihr einen Elfenbeinschemel mit drei Stufen unter die FüÃe. Am Rand der unterÂsten knieten zwei Negerkinder. Hin und wieder legte sie ihre mit schweren Ringen beladenen Hände auf die Köpfe der Kleinen.
Von den Knöcheln bis zu den Hüften war sie in ein Gewebe gehüllt, dessen enge Maschen wie Fischschuppen aussahen
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