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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Wesens heißer Hauch auf, schwüler als die Dämpfe eines Vulkans. Stimmen rufen mich. In meiner Brust rollt und kreist eine Feuerkugel. Ich ringe nach Atem und glaube zu sterben. Dann aber durchströmen süße Schauer meinen Leib vom Kopfe bis zu den Füßen. Eine Liebkosung umfängt mich. Ich fühle mich bedrückt, als ob ein Gott sich über mich legte. Ach, ich möchte mich verlieren im Nebel der Nächte, in der Flut der Quellen, im Saft der Bäume! Ich möchte meinen Körper verlassen. Möchte nur noch ein huschender Hauch sein, ein schimmernder Schein, und aufschweben zu dir, oh Mutter!“
    Sie hob die Arme, so hoch sie konnte, und bog sich zurück. In ihrem langen Gewand sah sie licht und leicht aus wie die Mondsichel selbst. Dann sank sie stöhnend auf das elfenbeinerne Bett. Taanach legte ihr eine Bernsteinkette mit Delphinzähnen um den Hals, ein Amulett gegen die Angst.
    Mit fast erloschener Stimme gebot Salambo: „Hol mir Schahabarim!“
    Ihr Vater hatte weder zugelassen, dass sie in den Orden der Tanit­priesterinnen eintrat, noch dass sie mit der volkstümlichen Auffassung des erotischen Kults dieser Göttin bekannt wurde. Er sparte sie für irgendein Bündnis auf, das seine politischen Pläne fördern sollte. Darum lebte Salambo einsam im Palast. Ihre Mutter war schon lange tot.
    In Klösterlichkeit, unter Fasten und frommen Zeremonien war sie aufgewachsen, immer umgeben von erlesenen und ernsten Dingen. Ihr Körper war von Parfümerien durchtränkt, ihre Seele erfüllt von Gebeten. Nie hatte sie Wein getrunken, nie Fleisch gegessen, nie ein unheiliges Tier berührt, nie das Haus eines Toten betreten.
    Sie hatte noch keine unzüchtigen Götterbilder gesehen. Jeder Gott kann sich in verschiedener Gestalt offenbaren, und voneinander ganz verschiedene Kulte haben oft denselben Grundgedanken. Salambo betete die Göttin in ihrer Erscheinung als Himmelsgestirn an, und ihr jungfräulicher Leib stand in seinem Bann. Wenn der Mond abnahm, fühlte sie sich schwach. Den ganzen Tag über matt und müde, lebte sie immer erst abends auf. Während einer Mondfinsternis wäre sie beinahe gestorben.
    Die eifersüchtige Göttin rächte sich für die ihrem Tempeldienst vorenthaltene Jungfernschaft und suchte Salambo mit Anfechtungen heim, die umso stärker waren, je wesenloser sie blieben. Sie wurzelten im Glauben und wurden durch ihn genährt. Unaufhörlich war Hamilkars Tochter von Tanit beunruhigt. Sie kannte die Abenteuer der Göttin, ihre Wanderfahrten und alle ihre Namen, die ihr fortwährend über die Lippen kamen, ohne dass sie damit deutliche Vorstellungen verband. Um in die Tiefe dieses Kults einzudringen, begehrte sie im Allerhei­ligsten des Tempels das altertümliche Götterbild zu sehen, das den prächtigen Mantel trug, an dem Karthagos Geschick hing. Der Gottesbegriff wurde von seiner Verkörperung kaum getrennt. Wer ein Götterbild berührte oder auch nur ansah, raubte dem Gott einen Teil seines Wesens und gewann in gewisser Weise sogar Macht über ihn.
    Salambo wandte sich um. Sie hatte das Klingen der goldenen Glöckchen vernommen, die Schahabarim am Saume seines Kleides trug. Er kam die Treppe herauf. Beim Betreten der Terrasse blieb er stehen und kreuzte die Arme. Seine tief liegenden Augen glommen wie Lampen in einer Gruft. Sein leinenes Gewand schlotterte um einen schlanken mageren Körper. Es war an den Säumen abwechselnd mit Schellen und Smaragdknöpfen besetzt. Schahabarim hatte schwächliche Glieder, einen Kegelkopf und ein spitzes Kinn. Wer seine Hand anfasste, empfand Kälte, und sein gelbes tief gefurchtes Antlitz sah aus, wie von Sehnsucht und ewigem Kummer verzerrt.
    Das war der Hohepriester der Tanit, Eunuch und Salambos Erzieher. „Sag, was willst du?“ sprach er sie an.
    â€žIch hoffte ... Hattest du mir nicht versprochen?“ Sie stockte und geriet in Verwirrung. Plötzlich aber fuhr sie fort: „Warum missachtest du mich? Hab ich irgendeine fromme Pflicht versäumt? Du bist mein Lehrmeister. Du hast mir gesagt, niemand wüsste so viel von der Göttin wie ich. Und doch gibt es noch Dinge, die du mir verheimlichst. Hab ich recht, Vater?“
    Schahabarim gedachte der Befehle Hamilkars und erwiderte: „Nein, ich habe dich nichts weiter zu lehren.“
    Da sagte sie: „Etwas Geheimnisvolles treibt mich zu meiner

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