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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Spendius trat hinein.
    „Auf, Herr! Mach dich bereit! Wir marschieren!“
    „Wohin?“ fragte Matho.
    „Nach Karthago!“ rief Spendius.
    Matho sprang auf das Pferd, das der Sklave vor der Tür am Zügel hielt.
    ***

    1 Sikka ist das heutige Keff, 180 km von Karthago entfernt. Berühmt für seinen Venuskult
    2 Galeere mit drei gestaffelten Reihen von Ruderern
    3 Tanit, punische Göttin der Fruchtbarkeit, Schutzgöttin Karthagos, abgeleitet von Astarte. Mutter des Baal

Kapitel 3
    Salambo
    Der Mond kam über dem Saum der See heraus. Noch war die Stadt im Dunkel. Nur hier und da blinkten leuchtende Punkte und lichte Flecke: die Deichsel eines Wagens in irgendeinem Hof, ein aufgehängtes Stück Leinwand, eine Mauerecke, der goldene Schmuck auf der Brust eines Götterbildes. Da und dort funkelten die Glaskugeln auf den Tempel­dächern wie riesige Diamanten, während linienlose Gebäudeteile, schwarze Flächen Landes und Baumgruppen in der Dunkelheit noch massiger und düsterer aussahen. Wo der Stadtteil Malka aufhörte, spannten sich Fischernetze von einem Hause zum anderen, wie ungeheure Fledermäuse mit entfalteten Flügeln. Das Knarren der Räder, die das Wasser bis in die obersten Stockwerke der Paläste trieben, war verstummt. Auf den Terrassen schlummerten friedlich die Kamele, wie Strauße auf dem Bauch liegend. Die Türhüter schliefen auf den Straßen vor den Haustüren. Über die menschenleeren Plätze krochen die Schatten gigantischer Monumente. An verschiedenen Stellen in der Ferne drang durch die Lücken der Dächer die Lohe von Opferfeuern. Der schwüle Seewind trug Blütenduft vermischt mit Meeresgeruch und dem Dunst sonnendurchglühter Mauern her. Rings um Karthago glitzerte die Meeresflut. Der Mond goss sein Licht über den bergumfriedeten Golf und über das Haff von Tunis, auf dessen Sanddünen Flamingos in langen rosigen Reihen hockten, während weiter weg, hinter der Totenstadt, die große Salzlagune wie eine Silberplatte glänzte. Das dunkelblaue Himmelsgewölbe versank auf der einen Seite im Staubnebel der Ebenen, auf der anderen in den Dämpfen des Meeres. Oben auf der Akropolis wiegten die hohen spitzigen Zypressen, die den Eschmun-Tempel umhüteten, ihre Wipfel und rauschten genau so monoton wie die Wogen, die zu Füßen der Befestigungen in schwerfälliger Regelmäßigkeit an den Quadern des langen Hafendamms zerstoben.
    Salambo stieg auf das flache Dach ihres Palastes, gestützt von einer Sklavin, die in einem eisernen Becken glühende Kohlen trug. Mitten auf der Terrasse stand ein niedriges Ruhebett aus Elfenbein. Luchsfelle und mit Papageienfedern gefüllte Kissen lagen darauf. Diese weissagenden Vögel waren den Göttern geweiht. Über den vier Ecken waren die Pfannen angebracht, gefüllt mit Spezereien, indischem Baldrian, Zimt und Myrrhen. Die Sklavin entzündete das Räucherwerk.
    Salambo blickte zum Polarstern auf, grüßte feierlich die vier Windrichtungen und kniete dann auf dem blauen Sand nieder, der – ein zweiter Himmel – mit goldenen Sternen besät war. Sie drückte die Ellbogen an die Hüften, streckte die Unterarme waagerecht vor, öffnete die Hände, bog das Haupt zurück, so dass ihr das Mondlicht voll ins Angesicht schien, und sprach:
    â€žO Rabbetna ... Baalet ... Tanit!“ Das klang wie Klagelaute, gedehnt, wie ein Ruf in die Ferne. „Anaïtis ... Astarte ... Derketo ... Astoreth ... Mylitta ... Athara ... Elissa ... Tiratha ... In deinen Symbolen ... in der heiligen Musik ... in den Furchen der Äcker ... im ewigen Schweigen ... und in der ewigen Fruchtbarkeit ... Herrin des düsteren Meeres ... und der blauen Gestade ... o Königin des Feuchten ... sei mir gegrüßt!“
    Zwei- oder dreimal beugte sie den Oberkörper vor und zurück, dann warf sie sich mit ausgestreckten Armen mit der Stirn in den Sand. Die Sklavin richtete sie sofort wieder auf, denn gläubigem Brauch gemäß musste man den Betenden emporheben. Es bedeutete, dass die Götter ihn erhörten. Salambos Amme versäumte diese fromme Pflicht niemals.
    Kaufleute aus Gätulien hatten Taanach als kleines Kind nach Karthago gebracht. Selbst nach ihrer Freilassung hatte sie ihre Herrschaft nicht verlassen, was das weite Loch in ihrem rechten Ohrläppchen zeigte. Ihr buntgestreifter Rock, um die Hüften von einem Gürtel gehalten, reichte bis

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