Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
Vom Netzwerk:
die Kupferkuppel vom Heiligtum Tanits. Das düstere Haus Molochs stand am Fuß der Zisternen nach der Seite des Leuchtturms hin. Auf den Giebelecken, auf den Zinnen der Mauern, an den Ecken der Plätze, überall erblickte man Götterbilder mit scheußlichen Köpfen, riesengroß oder untersetzt, mit dicken oder unnatürlich platten Bäuchen, offenen Mäulern und ausgestreckten Armen, Gabeln, Ketten oder Speere in den Händen. Im Hintergrund der Straßen aber, die durch den schrägen Einblick noch steiler erschienen, schimmerte das blaue Meer.
    Eine lärmende Menge erfüllte die Straßen vom Morgen bis zum Abend. Knaben schrien, Schellen schwingend, an den Türen der Bäder. Die Buden mit warmen Getränken rauchten. Die Luft bebte vom Schlagen der Ambosse. Auf den Terrassen krähten die weißen, der Sonne geweihten Hähne. In den Tempeln brüllten die Opferstiere, die man abwürgte. Sklaven mit Körben auf den Köpfen eilten dahin, und in der Tiefe der Säulenhallen tauchte hin und wieder ein Priester auf, in dunklem Mantel, barfüßig und mit spitzer Mütze.
    Dieser Anblick von Karthago erbitterte die Barbaren. Sie bewunderten und verabscheuten es. Sie hätten es gleichzeitig zerstören und bewohnen mögen. Was barg dort der Kriegshafen, den eine dreifache Mauer beschirmte? Und dort über der Stadt, am Ende von Megara, noch höher als die Akropolis, da ragte Hamilkars Palast.
    Dorthin richteten sich unverwandt Mathos' Augen. Er kletterte auf Olbäume und beugte sich vor, indem er die Augen mit der Handfläche beschattete. Aber die Gärten waren leer, und die rote Tür mit dem schwarzen Kreuz blieb geschlossen.
    Mehr als zwanzig mal umkreiste er die Wälle und suchte nach einem Durchlass, um einzudringen. Eines Nachts stürzte er sich in den Golf und schwamm drei Stunden lang. Er gelangte bis an das Seetor und wollte die steile Küste empor klimmen. Er stieß sich die Knie blutig und zerbrach sich die Nägel. Schließlich fiel er zurück ins Meer und kehrte um.
    Seine Ohnmacht erbitterte ihn. Er war eifersüchtig auf dieses Karthago, das Salambo umschloss, wie auf jemanden, der sie leiblich besessen hätte. Seine Erschöpfung hörte auf, und toller Tatendurst erfüllte ihn. Mit glühenden Wangen, sprühenden Augen und rauer Stimme durchmaß er raschen Schritts das Lager, oder er saß am Gestade und putzte sein großes Schwert mit Sand. Oder er schoss mit Pfeilen auf die vorüberfliegenden Geier. Sein Herz quoll in wütenden Worten über.
    â€žLass deinem Zorn seinen Lauf wie einem hinstürmenden Streitwagen!“ sagte Spendius zu ihm. „Schreie, schimpfe, verwüste und morde! Derlei Leid wird nur mit Blut gestillt; und da du deine Liebe nicht sättigen kannst, so mäste deinen Hass. Er wird dich aufrecht erhalten!“
    Matho übernahm wieder den Befehl über seine Söldner. Er ließ sie schonungslos exerzieren. Man achtete ihn wegen seines Mutes und vor allem um seiner Kraft willen. Außerdem flößte er eine Art mystische Furcht ein: man glaubte, er rede nachts mit Geistern. Sein Beispiel ermutigte die anderen Hauptleute. Bald war das Heer in guter Zucht. Die Karthager hörten in ihren Häusern die Trompetensignale, die den Dienst regelten. Nun rückten die Barbaren näher.
    Um sie auf der Landenge zu schlagen, hätte Karthago zwei Heere haben müssen, die ihnen gleichzeitig in den Rücken hätten fallen müssen, nachdem das eine im Golfe von Utica, das andere am Berge der Heißen Wasser gelandet wäre. Aber was sollte Karthago mit nichts als seiner Garde beginnen, die höchstens sechstausend Mann stark war? Wandten sich die Barbaren nach Osten, so konnten sie sich mit den Nomaden vereinigen und die Straße nach Kyrene sowie den Wüstenhandel abschneiden. Wandten sie sich nach Westen, so würde Numidien von Karthago abfallen. Schließlich musste der Mangel an Lebensmitteln sie früher oder später zwingen, die Umgegend zu verwüsten wie Heuschreck­enschwärme. Die Patrizier zitterten um ihre schönen Landsitze, ihre Weingärten und Äcker.
    Hanno schlug grausame und undurchführbare Maßnahmen vor. Man solle auf den Kopf jedes Barbaren einen hohen Preis setzen oder ihr Lager mit Hilfe von Schiffen und Geschützen in Brand stecken. Sein Amtsbruder Gisco dagegen drang darauf, dass man die Söldner bezahlen solle.

Weitere Kostenlose Bücher