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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Spendius fesselte ihn mit einer Schlinge an den Handgelenken. Ein anderer warf ihn zu Boden, und er verschwand im Getümmel der Menge, die über die Säcke stürmte.
    Man plünderte sein Zelt. Nur die zum Leben unentbehrlichen Gegenstände fand man darin, und später, bei genauerem Suchen, noch drei Bilder der Tanit und, in Affenhaut gewickelt, einen schwarzen Stein, der vom Monde heruntergefallen sein sollte.
    Eine Anzahl Karthager hatten Gisco freiwillig begleitet, angesehene vornehme Männer, alle zur Kriegspartei gehörig. Man riss sie aus den Zelten und warf sie kopfüber in die Latrinen. Mit eisernen Ketten, die man um ihren Leib schlang, wurden sie an starke Pfähle gefesselt. Nahrung reichte man ihnen auf den Spitzen von Wurfspießen.
    Autarit, der sie bewachte, überschüttete sie mit Schimpfworten. Da sie aber seine Sprache nicht verstanden, antworteten sie nicht. Von Zeit zu Zeit warf er ihnen Steine ins Gesicht, um sie schreien zu hören.
    *
    Am nächsten Tage ergriff eine Art Erschöpfung das Heer. Jetzt, da der Zorn verraucht war, stellten sich Angst und Sorge ein. Matho litt an namenloser Traurigkeit. Ihm war, als habe er Salambo mittelbar beleidigt. Die gefangenen Patrizier waren ihm gleichsam ein Zubehör zu ihrer Person. Er setzte sich des Nachts an den Rand ihrer Grube und fand im Wimmern dort unten etwas von der Stimme wieder, die sein Herz erfüllte.
    Inzwischen klagten alle die Libyer an, die allein bezahlt worden waren. Aber während die nationalen Gegensätze und der persönliche Hass erwachten, fühlte man auch die Gefahr, die darin lag, diesen Leidenschaften nachzugeben. Die Vergeltung für den Vorfall musste furchtbar ausfallen. Folglich galt es, der Rache Karthagos zuvorzukommen. Die Beratungen und öffentlichen Reden nahmen kein Ende. Jeder sprach, keiner hörte zu, und Spendius, der sonst so gesprächig war, schüttelte zu allen Vorschlägen den Kopf.
    Eines Abends fragte er Matho beiläufig, ob es keine Quellen in der Stadt gäbe.
    â€žNicht eine!“ antwortete der.
    Am nächsten Morgen führte ihn Spendius zum Seeufer. „Herr!“ begann der ehemalige Sklave. „Wenn dein Herz unerschrocken ist, will ich dich nach Karthago hineinführen.“
    â€žAuf welche Weise?“ fragte der andere, nach Atem ringend.
    â€žSchwöre mir, allen meinen Befehlen nachzukommen und mir wie ein Schatten zu folgen!“
    Matho erhob den Arm gegen den Mond und rief: „Bei der Tanit, ich schwöre es dir!“
    Spendius fuhr fort: „Erwarte mich morgen nach Sonnenuntergang am Fuß des Aquädukts, zwischen dem neunten und zehnten Bogen. Bring eine eiserne Hacke, einen Helm ohne Federbusch und ein paar Ledersandalen mit!“
    Das Aquädukt, von dem er sprach, ein bedeutendes Bauwerk, lief schräg über die ganze Landenge hin. Auf drei übereinander gebauten mächtigen Bogenreihen, mit Strebepfeilern an den Basen und Löwenköpfen an den Scheiteln, führte es bis zum westlichen Teil der Akropolis hin und senkte sich dann zur Stadt hinab, um die Zisternen von Megara mit einer strömenden Wassermenge zu versehen.
    Spendius traf Matho zur verabredeten Stunde. Er knüpfte einen Draggen an das Ende eines Seiles und ließ dies rasch wie eine Schleuder schwirren. Der eiserne Haken blieb an der Mauer hängen, und nun begannen sie, hintereinander empor zu klettern.
    Als sie das erste Geschoss erreicht hatten, fand der Haken bei neuen Würfen keinen Halt. Bis sie eine geeignete Stelle entdeckten, mussten sie um die Pfeiler herum auf dem Sims gehen, den sie bei jeder höheren Bogenreihe immer schmaler fanden. Nach und nach dehnte sich das Seil. Mehrere Male wäre es beinahe gerissen.
    Endlich waren sie auf der obersten Plattform. Spendius bückte sich von Zeit zu Zeit, um den Steinbelag mit der Hand zu betasten.
    â€žHier geht's!“ sagte er. „Fangen wir hier an!“ Und indem sie sich beide gegen den Spieß stemmten, den Matho mitgebracht hatte, gelang es ihnen, eine der Steinplatten zu lockern.
    In der Ferne bemerkten sie einen Trupp von Reitern, die auf Pferden mit leichten Trensen dahin galoppierten. Ihre goldenen Armreifen tanzten über den undeutlichen Falten ihrer Mäntel. Voran ritt ein Mann mit einer Krone von Straußenfedern auf dem Kopf, in jeder Hand eine Lanze.
    â€žNaravas!“ rief Matho.
    â€žWas kümmert uns der?“ entgegnete Spendius

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