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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Karthago hinzeigend: „Hast du auch welche für die Toten bestimmt?“
    Die Erzplatten, die das Tor von oben bis unten bedeckten, erglühten in den letzten Sonnenstrahlen. Die Barbaren meinten, einen Blutstreifen darauf zu erkennen. Sooft Gisco reden wollte, begann ihr Geschrei von neuem. Schließlich verließ er langsamen Schrittes seinen Sitz und schloss sich in sein Zelt ein.
    Als er bei Sonnenaufgang wieder heraustrat, rührten sich seine Dolmetscher nicht, die sich vor dem Zelt zur Ruhe hingelegt hatten. Sie lagen auf dem Rücken, mit starren Augen, heraushängender Zunge und blauem Gesicht. Weißer Schleim floss aus ihren Nasen, und ihre Glieder waren so steif, als ob sie im Nachtfrost erstarrt wären. Jeder trug um den Hals eine dünne Binsenschnur.
    Nun brach die Empörung offen aus. Die Ermordung der Balearier, die Zarzas den Söldnern ins Gedächtnis zurückgerufen hatte, bestärkte das von Spendius erregte Misstrauen. Man bildete sich ein, die Republik suche sie noch immer zu täuschen. Man müsse ein Ende machen! Dolmetscher hätte man nicht nötig! Zarzas, der sich einen Kranz um den Kopf geschlungen hatte, sang Kriegslieder. Autarit schwang sein langes Schwert. Spendius flüsterte dem einen ein Wort zu und steckte den anderen einen Dolch zu. Die weniger Aufgebrachten forderten, dass die Lohnzahlung fortgesetzt würde. Keiner legte mehr die Waffen ab, und der Zorn aller vereinigte sich gegen Gisco zu stürmischem Hass.
    Etliche wollten für ihn eintreten. Solange sie Schmähungen ausstießen, hörte man sie geduldig an. Sobald sie aber das geringste Wort für ihn sprachen, wurden sie unverzüglich gesteinigt, oder man schlug ihnen hinterrücks mit einem Säbelhieb den Kopf ab. Die aufgehäuften Säcke sahen blutiger aus als ein Opferaltar.
    Nach den Mahlzeiten wurden die Söldner entsetzlich, zumal wenn Wein getrunken worden war. Dieser Genuss war in den punischen Heeren bei Todesstrafe verboten. Man schwenkte die Becher gegen Karthago, um seiner Manneszucht zu spotten. Dann fiel man über die Sklaven des Zahlmeisters her und begann von neuem zu morden. Der Ruf: „Steinigt ihn!“ – in jeder Sprache verschieden – wurde von allen verstanden.
    Gisco wusste wohl, dass ihn das Vaterland im Stich ließ. Angesichts aller Undankbarkeit wollte er trotzdem die Ehre Karthagos hochhalten. Als die Söldner ihn daran erinnerten, dass man ihnen Schiffe versprochen habe, schwur er beim Moloch, sie ihnen auf eigene Kosten zu liefern. Er riss sein Halsband aus blauen Steinen vom Halse und warf es in die Menge als Pfand seines Eides.
    Nun forderten die Afrikaner Getreide, gemäß den Versprechungen des Großen Rates. Gisco legte amtliche Rechnungen vor, die mit violetter Tinte auf Lammfelle geschrieben waren. Er verlas alles, was nach Karthago eingeführt worden war, Monat für Monat und Tag für Tag.
    Plötzlich hielt er mit stierem Blick inne, als stände da zwischen den Ziffern sein Todesurteil.
    In der Tat hatten die Alten die Zahlen betrügerisch verkleinert und das Getreide, das in der Zeit der größten Kriegsnot verkauft worden war, zu einem so niedrigen Preis angerechnet, dass kein vernünftiger Mensch getäuscht werden konnte.
    â€žRede!“ schrien sie. „Lauter! Ha, er sucht nach Lügen, der Feigling! Aufgepasst!“
    Eine Weile zauderte er. Endlich las er weiter.
    Die Söldner ahnten nicht, dass man sie betrog, und nahmen die Rechnungsauszüge für richtig an. Aber der Überfluss, der in Karthago herrschte, versetzte sie in wilde Eifersucht. Sie zertrümmerten die Sykomoren–Holzkiste. Sie war zu drei Vierteln leer. Man hatte solche Summen aus ihr hervorgehen sehn, dass man sie für unerschöpflich gehalten. Gisco musste Geld in seinem Zelte vergraben haben! Man stürmte die Rednerbühne. Matho war der Anstifter.
    Als man schrie: „Das Geld! Das Geld!“ antwortete Gisco schließlich: „So mag es euer Führer euch geben!“
    Fortan schwieg er und blickte mit den großen gelben Augen seines langen Gesichtes, das weißer war als sein Bart, kaltblütig in den Tumult. Ein Pfeil, von seinem eigenen Gefieder gehemmt, blieb in des Sufeten großem goldenen Ohrring hängen, und Blut rann, gleich einem roten Faden, von der Tiara auf seine Schulter herab.
    Auf einen Wink Mathos stürzten alle auf Gisco zu. Er breitete die Arme aus.

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