Salambo
und sprang in das Loch, das durch das Verschieben der Platte entstanden war.
Seiner Weisung gemäà versuchte auch Matho einen der Steinblöcke zu lockern. Aber er hatte keine Ellbogenfreiheit.
âEs wird auch so gehen!â meinte Spendius. âGeh voran!â
Damit wagten sie sich in das Innere der Wasserleitung.
Das Wasser ging ihnen bis an den Bauch. Bald aber gerieten sie ins Schwanken und mussten schwimmen. Dabei stieÃen sie mit den Händen und FüÃen gegen die Wände des allzu engen Kanals, in dem das Wasser fast unmittelbar unter den Deckplatten floss. Sie rissen sich das Gesicht auf. Die Strömung trug sie fort ... Eine Luft, schwerer als im Grab, lastete auf ihrer Brust. Die Arme vor den Kopf haltend, die Knie geschlossen, sich so lang streckend, wie sie irgend konnten, schossen sie pfeilschnell durch die Dunkelheit dahin, halb erstickt, röchelnd und dem Tode nahe. Plötzlich wurde es stockfinster vor ihnen, und die Strömung wurde reiÃend. Die beiden Männer gerieten in ein Gefälle ...
Als sie wieder an die Oberfläche der Flut kamen, lieÃen sie sich einige Minuten treiben und sogen mit Wohlbehagen die Luft ein. Bogenreihen, eine hinter der anderen, öffneten sich in der Mitte mächtiger Mauern, die den Raum in einzelne Becken zerlegten. Alle waren gefüllt, und das Wasser in den Zisternen bildete eine einzige Fläche. Durch die Luftlöcher in den Deckenwölbungen fiel bleicher Schein, der Lichtscheiben auf die Flut warf. Der Schatten ringsum, der sich nach den Wänden zu verdichtete, lieà diese ins unbestimmte zurücktreten. Das geringste Geräusch erweckte lauten Widerhall.
Spendius und Matho begannen abermals zu schwimmen. Durch die Bogenöffnungen gelangten sie von einem Becken in das nächste. Auf beiden Seiten lief noch je eine parallele Reihe kleinerer Becken hin. Die Schwimmer verirrten sich, kehrten um und kamen an dieselbe Stelle zurück. Endlich fühlten sie festen Boden unter den FüÃen. Es war das Pflaster der Galerie, die um die Zisternen herumlief.
Mit groÃer Vorsicht weiter gehend, tasteten sie das Mauerwerk ab, um einen Ausgang zu finden. Aber ihre FüÃe glitten ab, und sie stürzten wieder in das tiefe Becken. Sie kletterten von neuem empor und fielen abermals zurück. Eine furchtbare Ermüdung überkam sie, als ob ihre Glieder sich beim Schwimmen im Wasser aufgelöst hätten. Die Augen fielen ihnen zu. Sie kämpften mit dem Tod.
Da stieà Spendius mit der Hand gegen die Stäbe eines Gitters. Beide rüttelten daran. Es gab nach, und sie befanden sich auf den Stufen einer Treppe. Oben kamen sie zu einer verschlossenen Bronzetür. Mit der Spitze eines Dolches schoben sie den Riegel zurück, der sich nur von auÃen öffnen lieÃ, und plötzlich umfing sie die frische freie Luft.
Die Nacht war still. Der Himmel verlor sich in unendlicher Tiefe. Hier und da ragten Baumgruppen über die langen Mauerlinien hinweg. Die Stadt lag im Schlummer. Die Wachtfeuer der Vorposten glänzten wie herab gefallene Sterne.
Spendius, der drei Jahre im Kerker verbracht hatte, kannte die Stadtviertel nur ungenau. Matho meinte, um zum Palast Hamilkars zu gelangen, müsse man sich nach links wenden und die StraÃe der Mappalier überqueren.
âNein!â sagte Spendius. âFühre mich zum Tempel der Tanit!â
Matho wollte widersprechen.
âDenke daran!â unterbrach ihn der ehemalige Sklave, indem er den Arm erhob und nach dem Monde wies, der am Himmel glänzte.
Da wandte sich Matho schweigend gegen die Akropolis, in deren Nähe der Tempel war.
Sie schlichen an den Kaktushecken vorbei, die die Wege einfassten. Das Wasser rann von ihren Leibern in den Staub. Ihre feuchten Sandalen verursachten kein Geräusch. Spendius suchte mit seinen Augen, die wie Fackeln glühten, bei jedem Schritt die Gebüsche ab. Er ging hinter Matho, die Hände an den beiden Dolchen, die er unter den Achseln trug und die ihm, an einem Lederriemen befestigt, von den Schultern herabhingen.
***
1 Kapitell: oberer Abschluss einer Säule
2 Die Römer nannten die Karthager und andere phönizische Gruppen an der Mittelmeerküste âPunierâ, die Kriege gegen Karthago die âPunische Kriegeâ
Kapitel 5
Tanit
Als sie die Gärten durchschritten hatten, sahen sie sich durch die Mauer zwischen Megara und der Altstadt am Weitergehen gehindert. Da
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