Salambo
gesehenâ, bemerkte der ehemalige Sklave, âin der Stadt Maphug!â
Auf einer sechsstufigen Silbertreppe stiegen sie nun hinauf zur dritten Einzäunung.
In der Mitte stand eine riesige Zeder. Ihre unteren Zweige waren über und über mit Bändern und Halsketten behängt â von den Gläubigen dargebracht. Nach ein paar weiteren Schritten erhob sich vor ihnen die Tempelfassade.
Von einem viereckigen Mittelturm, auf dessen Plattform der Halbmond ragte, liefen zwei lange Säulengänge aus, deren Architrave 1 auf dicken Pfeilern ruhten. Ãber den Enden der Gänge und an den vier Ecken des Turmes flammte in Schalen Räucherwerk. Die Säulenkapitelle waren mit Granaten und giftigen Koloquintenkürbis geschmückt. An den Wänden wechselten Mäanderbänder, Rauten und Perlstäbe miteiÂnander ab, und ein Zaun aus Silberfiligran bildete einen weiten Halbkreis vor der ehernen Treppe, die von der Vorhalle abwärts führte.
Am Eingang stand zwischen einer goldenen und einer smaragdenen Stele ein Steinkegel. Matho küsste sich beim Vorbeigehen die rechte Hand.
Der erste Raum war sehr hoch. Zahllose Ãffnungen durchbrachen die Decke, so dass man beim Aufsehen die Sterne erblickte. Ringsum an den Wänden standen Rohrkörbe, mit Bärten und Haaren angefüllt, den Erstlingsopfern junger Leute; und in der Mitte des kreisrunden Saales wuchs aus einem mit Brüsten verzierten Sockel ein weiblicher Körper hervor. Das dicke bärtige Gesicht hatte halb geschlossene Augen und einen lächelnden Ausdruck. Die Hände lagen gefaltet auf dem Schoà des dicken Leibes, den die Küsse der Menge poliert hatten.
Dann kamen die beiden wieder ins Freie, in einen unbedeckten Quergang, in dem ein Miniaturaltar an einer Elfenbeintür stand. Hier war der Gang zu Ende. Nur die Priester durften die Tür öffnen, denn ein Tempel war kein Versammlungsort für die Menge, sondern die Wohnung einer Gottheit.
âDie Sache ist unausführbar!â sagte Matho. âDaran hast du nicht gedacht! Wir wollen umkehren!â
Spendius betrachtete prüfend die Mauern. Er wollte den Mantel haben! Nicht, weil er der Zauberkraft vertraute â Spendius glaubte nur an Orakel â, sondern weil er überzeugt war, dass die Karthager, seiner beraubt, tief entmutigt sein würden. Um irgendeinen Eingang zu finden, schlichen sie hinten um den Tempel herum.
Unter Terpentinbäumen erblickte man kleine Kapellen in verschiedener Bauart. Hier und da ragte ein steinerner Phallus empor. GroÃe Hirsche streiften friedlich umher und brachten mit ihren gespaltenen Hufen abgefallene Pinienäpfel ins Rollen.
Die beiden kehrten um und kamen zwischen zwei lange Galerien, die nebeneinander herliefen. Sie enthielten Reihen kleiner Zellen. An den Zedernholzsäulen hingen von oben bis unten Tamburine und Zimbeln. Vor den Zellen schliefen Frauen, auf Matten hingestreckt. Ihre Leiber trieften von Salben und dufteten nach Spezereien und Weihrauch. Sie waren mit Tätowierungen, Halsbändern, Ringen, Zinnober- und Antimonmalereien derart bedeckt, dass man sie ohne die Atmungsbewegungen ihrer Brüste für Götzenbilder gehalten hätte, die da auf der Erde lagen. In einem von Lotosblumen umwachsenen Springbrunnen schwammen Fische. Weiter hinten, an der Tempelmauer, glänzte ein Weinstock mit gläsernen Reben und Trauben aus Smaragd. Der spielende Widerschein der Edelsteine tanzte durch die bunten Säulen und über die Gesichter der Schläferinnen.
Matho erstickte fast in dem schwülen Dunst, den die Zedernholzwände ausatmeten. Alle die Symbole der Befruchtung, die Wohlgerüche, das Spiel der Lichter, die Atemgeräusche beklemmten ihn. Er dachte bei all diesem mystischen Gaukelwerk an Salambo. Sie war für ihn eins mit der Gottheit selbst, und seine Liebe sog daraus neue Nahrung, wie die groÃen Lotosblumen, die aus der Tiefe des Wassers emporwuchsen.
Spendius berechnete, welche Geldsummen er damals beim Verkauf von so vielen Frauen wie diesen hier verdient hätte, und mit raschem Blick schätzte er im Vorübergehen den Wert der goldenen Halsbänder ab.
Der Tempel war auf dieser Seite ebenso unzugänglich wie auf der anderen. Sie kehrten wieder zurück in den unbedeckten Gang. Während Spendius suchte und spähte, hatte sich Matho vor der elfenbeinernen Tür niedergeworfen und betete zu Tanit. Er flehte sie an, den Tempelraub
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