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Salambo

Salambo

Titel: Salambo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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über der Tür im roten Kupfer widerspiegelte.
    Als Matho auf eine Steinfliese trat, gab sie unter seinen Füßen nach, und plötzlich begannen die Kugeln sich zu drehen, die Ungeheuer zu brüllen. Dazu erklang Musik, eine Melodie, rauschend wie die Harmonie der Sphären: Tanits wilde Seele brauste durch den Raum. Matho hatte das Gefühl, als erhebe sie sich, als sei sie hoch wie die Halle, als breite sie die Arme aus. Plötzlich schlossen die Ungeheuer ihre Rachen, und die Kristallkugeln standen wieder still.
    Eine Zeitlang klangen noch unheimliche Töne durch die Luft, bis sie endlich verhallten.
    â€žUnd der Mantel?“ fragte Spendius.
    Er war nirgends zu erblicken. Wo war er? Wie sollte man ihn finden? Wenn ihn die Priester versteckt hatten? Matho empfand einen Stich durch das Herz. Er kam sich wie genarrt vor.
    â€žHierher!“ flüsterte Spendius. Eine Eingebung leitete ihn. Er zog Matho hinter den Wagen der Tanit, wo eine Spalte, eine Elle breit, die Mauer von oben bis unten durchschnitt.
    Sie drangen in einen kleinen kreisrunden Saal, der so hoch war, dass man das Gefühl hatte, sich im Innern einer Säule zu befinden. In der Mitte schimmerte ein großer schwarzer Stein, halbkreisförmig wie ein Sessel. Über ihm loderte ein Feuer. Hinter ihm ragte ein kegelartiges Stück Ebenholz empor, mit einem Kopf und zwei Armen.
    Dahinter hing etwas wie eine Wolke, in der Sterne funkelten. Aus tiefen Falten leuchteten Figuren hervor: Eschmun mit den Erdgeistern, wiederum einige Ungeheuer, die heiligen Tiere der Babylonier und andere, die den beiden unbekannt waren. Das Ganze breitete sich wie ein Mantel unter dem Antlitz des Götzenbildes aus. Die langen Enden waren an der Wand hochgezogen und mit den Zipfeln daran befestigt. Es schillerte blau wie die Nacht, gelb wie das Morgenrot, purpurrot wie die Sonne. Es war über und über bestickt, durchsichtig, lichtfunkelnd und duftig. Das war der Mantel der Göttin, der heilige Zaimph, den kein Mensch anschauen durfte.
    Sie erbleichten beide.
    â€žNimm ihn!“ forderte Matho endlich.
    Spendius zögerte nicht. Auf das Götzenbild gestützt, machte er den Mantel los, der zu Boden glitt. Matho hob ihn auf. Dann steckte er seinen Kopf durch den Halsausschnitt und breitete die Arme aus, um das Gewebe besser zu betrachten.
    â€žFort!“ rief Spendius.
    Matho blieb keuchend stehen und starrte auf den Boden.
    Plötzlich rief er aus: „Wenn ich jetzt zu ihr ginge? Ich habe keine Furcht mehr vor ihrer Schönheit! Was kann sie gegen mich machen? Jetzt bin ich mehr als ein Mensch! Ich könnte durch Flammen schreiten, über das Meer wandeln! Begeisterung reißt mich fort! Salambo! Salambo! Ich bin dein Herr und Meister!“
    Seine Stimme dröhnte. Er erschien Spendius höher von Gestalt und wie verwandelt.
    Das Geräusch von Schritten wurde hörbar. Eine Tür ging auf, und ein Mann erschien, ein Priester mit hoher Mütze. Er riss die Augen weit auf. Ehe er aber eine Bewegung gemacht, war Spendius auf ihn los gestürzt, hatte ihn mit beiden Armen umschlungen und ihm seine Dolche in die Seiten gestoßen. Dumpf schlug der Kopf des Ermordeten auf die Fliesen. Dann standen sie eine Weile ebenso unbeweglich, wie der Tote dalag, und lauschten. Man vernahm nichts als die Stimme des Windes durch die offene Tür.
    Sie führte auf einen engen Gang. Spendius betrat ihn. Matho folgte. Sie befanden sich fast unmittelbar am dritten Wall, zwischen den Seitenhallen, in denen die Priesterwohnungen waren.
    Hinter den Zellen musste ein kürzerer Weg zum Ausgang führen. Sie beschleunigten ihre Schritte.
    Am Rand des Springbrunnens kniete Spendius nieder und wusch sich das Blut von den Händen. Die Frauen schliefen noch. Der smaragdene Weinstock glänzte. Sie setzten ihren Weg fort.
    Unter den Bäumen lief jemand hinter ihnen her, und Matho, der den Mantel trug, fühlte mehrmals, wie jemand von unten ganz sacht daran zupfte. Es war ein großer Pavian, einer von denen, die im Tempelbezirk frei herumliefen. Er zog an dem Mantel, als wüsste er, dass es sich um einen Raub handelte. Sie wagten nicht, ihn zu schlagen, aus Furcht, er würde laut schreien. Plötzlich besänftigte sich sein Ärger, und er trabte wiegenden Ganges mit seinen langen herabhängenden Armen neben ihnen her. An der Umfriedung schwang er sich mit einem Satz in einen Palmbaum.
    Als sie die letzte Mauer hinter sich

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