Salamitaktik
ein Ausgleich für die frustrierenden letzten Tage hier in Süddeutschland.
Onkel Umut hatte ihm versprochen, ihn in Zukunft auÃen vor zu lassen, was die Geschäfte der Familie anging. Aber was, wenn er ihn doch irgendwann wieder brauchte? Das konnte ziemlich schnell der Fall sein. Umut hatte viele Feinde, es gab Rivalitäten und Intrigen innerhalb der Familie, die Polizei dachte sich ständig neue Schweinereien aus, und auÃerdem war da der immer gefährlicher werdende Ãrger mit den Leuten des Generals. Wie man gerade eben über diese Ãberwachungskameras hatte sehen können, besaÃen sie uneingeschränkten Zugang zu militärischen Waffen. Der Deal bewegte sich garantiert in einem hohen zweistelligen Millionenbereich, wenn nicht eher sogar dreistellig. Irfan war sich sicher, dass die Waffen nicht für den General selbst gedacht waren, sondern weiterverkauft werden sollten. Wahrscheinlich würden sie zuerst nach Bulgarien und von dort weiter in den Nahen Osten gebracht werden. Konflikte gab es mehr als genug auf der Welt. Das Ausmaà dieses Deals zeigte Irfan, dass die Bulgaren eine sehr konkrete Gefahr für die Familie darstellten, die man nicht unterschätzen durfte.
Möglicherweise gab es einen anderen Weg. Angenommen, die Bande würde zerschlagen und die finanzielle Struktur der Gruppe schmerzlich dezimiert. Bei Onkel Umuts Sucuk ging es um eine halbe Million. Viel Geld, aber die Familie hatte schon für deutlich weniger Leute umgebracht. Nichtsdestotrotz wäre eine halbe Million im Notfall zu verschmerzen. Doch bei Allah, rund hundert Millionen würden die Bulgarenmafia empfindlich treffen. Noch nachhaltiger würde sich der Tod des Generals auswirken. Der Mann, der das vollbrachte, würde von Onkel Umut alles verlangen können. Es wäre sein Weg hinaus aus dem Geschäft â mit einer Garantie für immer. Irfan fasste einen Entschluss.
»Die Typen verschwinden«, meldete Mario vorsichtig. »Die Frauen lassen sie in dem Lagerraum zurück.«
Irfan ging zu den anderen und sah, wie die Tür zum hinteren Bereich zugezogen wurde.
»Ich habe einen Gegenvorschlag«, sagte er zu Schlaicher. »Du sagst mir, wo die Sucuk sind, und ich helfe dir, die Frauen da rauszuholen. Aber es gibt keine Polizei. Friss oder stirb.«
Schlaicher schien Irfans Vorschlag spontan zustimmen zu wollen, aber Irfan hatte den Mann richtig eingeschätzt. Selbst in einer emotionalen Situation agierte er nicht vollkommen kopflos.
»Was heiÃt es genau, dass ihr uns helft?«
Irfan erklärte ihm seinen noch sehr groben Plan: »Die Typen sind weg, wir gehen rein und holen die Frauen raus. Mein junger Freund und ich verlassen euch, und ihr lasst die Typen auffliegen.« Die Polizei würde die Waffen finden, während er sich dem General an die Fersen heftete. Eine Kugel in dessen Kopf würde seine Fahrkarte in eine friedliche Zukunft sein.
»Und wie sollen wir reinkommen?«, fragte Schlaicher.
»Ich bekomme die Tür schon auf, darauf kannst du dich verlassen.«
»Ihr lasst Erwin und Lutz frei, dann können wir los«, stimmte Schlaicher zu.
»Nein. Erst die Sucuk. Und die beiden kommen mit.«
Schlaicher dachte nach. Dann sagte er: »Ich habe den Eindruck, dass wir in einer ziemlich schlechten Situation wären, wenn ihr eure Würste habt und wir alle mit euch fahren müssen. Wer garantiert, dass ihr uns nicht irgendwohin bringt und uns einfach alle erschieÃt?«
Ein schlauer Mann. Irfans Respekt vor ihm wuchs. Er kannte genug Männer, die in einer solchen Situation nach jedem Strohhalm gegriffen hätten, aber Schlaicher bedachte auch die Konsequenzen. Tatsächlich wäre seine Einschätzung der Lage für Irfan unter normalen Umständen keine ungewöhnliche Vorgehensweise gewesen. Was gingen ihn diese Frauen an. Wenn er die Sucuk hatte, könnte er genau so verfahren. Drei Leichen, niemand, der der Polizei etwas über ihn erzählen konnte, keine Spur vom Täter. Danach ein anonymer Hinweis wegen der Waffen des Generals. Eine saubere Geschichte, alle Probleme gelöst. Aber genau das wollte Irfan nicht mehr. Er hatte genug vom Töten. Nicht dass er es nicht tun würde, wenn es nötig wäre, aber die drei Männer hier fingen sogar an, ihm richtig sympathisch zu werden. Ich werde alt, dachte er.
»Was schlägst du vor?«, fragte er gespannt.
»Ihr lasst Erwin und
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