Salamitaktik
Lutz hier. Sie sind sozusagen meine Lebensversicherung. Wenn Martina, Weng und ich nicht zurückkommen, werden sie die Polizei alarmieren.«
»Wer garantiert mir, dass sie die Polizei nicht sowieso alarmieren?«
»Ihr habt mich. Und ich will die Frauen da raus haben. Verdammt, können wir das jetzt nicht einfach so machen? Wir brauchen eine halbe Stunde bis dahin, und wer weiÃ, wann die Typen zurückkommen â¦Â«
Irfan fand diesen Kompromiss annehmbar. »Dann machen wir es so«, entschied er und reichte Schlaicher die Hand. »Wenn ihr im Anschluss der Polizei nur ein Wort über mich erzählt, werden meine Leute euch finden. Darüber solltet ihr euch im Klaren sein.«
Aber auch Lutz hatte noch etwas zu sagen: »Ich komme auch mit.«
»Nein, das wird gefährlich«, sagte Schlaicher.
»Keine Chance, Chef. Ich lasse dich nicht allein. Und ich lasse die Ladies nicht im Stich.«
Irfan zuckte bloà mit den Schultern. Je mehr, desto besser. Für den Fall, dass sie überrascht wurden, hätten die Bulgaren einen mehr umzubringen, bevor sie sich ihm zuwenden konnten.
»Binded mi dann jedz endlich emool öbber loos?«, fragte Trefzer in den allgemeinen Aufbruch hinein.
*Â *Â *
Schlageter befand sich in einer Stimmung, die zwischen Euphorie und Depression schwankte. Brockmann war geradezu kooperativ gewesen. Ob seine Geschichte aber stimmte, würde ein Richter entscheiden müssen. Mit dem Mord an seiner Frau wollte er abgesehen von der Verschleierung der Tat nichts zu tun haben. Das Kind sei nicht seines gewesen. Wessen Kind es war, wisse er nicht, hatte er dem Kommissar erklärt. Er schob alle Schuld auf Franziska Richter, mit der ihn angeblich nur eine Affäre verband. Die vergiftete Frau war sofort ins Krankenhaus gebracht worden, man ging davon aus, sie retten zu können.
Was Brockmann dazu getrieben hatte, nun seine Geliebte töten zu wollen, verriet er nicht. Rache für den Tod seiner Frau konnte sich Schlageter schwerlich als Grund vorstellen, denn Brockmann hätte Franziska Richter gleich zu Beginn der Ermittlungen ans Messer liefern können. Stattdessen hatte er unterstützt, dass das Ganze als anaphylaktischer Schock abgetan wurde.
Faller und Westermann waren kurz nach dem Krankenwagen eingetroffen und hatten kleinlaut veranlasst, dass Brockmann von zwei Beamten in die Untersuchungshaft abgeführt wurde. Der Arzt leistete keinerlei Widerstand.
Es war vorbei. Er hatte es geschafft, an seinem letzten Tag im Dienst einen Mord an einer schwangeren Frau aufzuklären, aber richtig glücklich fühlte Schlageter sich trotzdem nicht. Das Leben war einfach so ungerecht. Ein Kind, ein Leben im Bauch seiner Mutter, war mit ihr zerstört worden, ohne dass es eine Chance gehabt hatte, seinen ersten Atemzug zu tun. Wem sollte so etwas nicht nahegehen? Aber Schlageter hatte genug Tote und Verbrecher in seinem Arbeitsleben gesehen, die ihm alle irgendwie nachhingen. Vielleicht war es gut, jetzt einen Schlussstrich zu ziehen. Einen Abschluss, wie ihn wahrscheinlich kein Kommissar je wieder hinbekommen würde.
In der Direktion waren er und Helbach von Danner, Faller und Westermann erwartet worden, die sich in einer Mischung aus Wut, Scham und Bewunderung angehört hatten, wie es ihm gelungen war, in letzter Sekunde einen Fall zu lösen, den sie als gar nicht existent abgetan hatten. Danner hatte es trotzdem nicht lassen können, ihm die eigenmächtige Anordnung einer Obduktion vorzuhalten: »Und Sie mögen noch so sehr recht behalten haben, kein Staatsanwalt wird sich dermaÃen von Ihnen auf der Nase rumtanzen lassen. Sie werden sehen, Schlageter, das wird ein Nachspiel haben. Für Sie und den Arzt, den sie dazu überredet haben.«
Schlageter hatte einen Zettel aus seiner Hosentasche gefischt, den er Brockmann noch während seines Geständnisses hatte unterschreiben lassen, und ihn vor Danner auf den Schreibtisch gelegt.
»Sie haben also eine Einverständniserklärung von Brockmann bekommen? Die wird Ihnen jeder Anwalt zerpflücken«, war dessen Antwort.
Das glaubte Schlageter jedoch nicht, denn er hatte das Schreiben rückdatiert. Und Brockmann würde, da das Einverständnis zu einer Obduktion auch ihn entlastete, sicherlich keinem auf die Nase binden, dass er das Datum nicht selbst eingetragen hatte. Diesen Umstand hatte Schlageter Danner allerdings nicht aufs Pausenbrot
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