Salamitaktik
richtig viel los. Wahrscheinlich wurde gerade ein Schiff beladen. Im Umfeld von Lefèvres Halle dagegen war alles still. Es war Samstagabend, neunzehn Uhr dreiÃig. Die Schatten wurden schon viel länger, und dass sich eine Wolkenfront von Frankreich aus über den Himmel schob, tat sein Ãbriges. Schlaicher fuhr an der Halle vorbei.
»Kein Licht zu sehen«, stellte Irfan fest. Nur Lefèvres dunkelgrüner Jaguar stand auf dem Parkplatz. Wahrscheinlich hatten die Männer sie in ihrem BMW mitgenommen.
Schlaicher stellte den Wagen auf einem von einer anderen Halle verdeckten Parkplatz ab. Mario manövrierte sich direkt neben ihn, und sie stiegen aus. Irfan lieà sich von Mario den Autoschlüssel geben und holte eine Tasche aus seinem Kofferraum, wofür er erstaunlich lange benötigte. Schlaicher hatte seinen Rucksack dabei und nahm von Irfan nun wieder sein Smartphone entgegen.
Lutz und Mario traten aufgeregt von einem Fuà auf den anderen. Schlaicher war nicht weniger nervös. Er wünschte sich sogar, Lutz würde einen seiner flachen Witze raushauen. So aufgeregt, wie sie alle â vielleicht mit Ausnahme des Türken â waren, hätten sie bestimmt gern gelacht. Zumindest hätte das die Anspannung etwas gelöst. Aber Lutz war offenbar zu nervös.
Der Dietrich knackte das Schloss der kleinen Tür oben auf der Rampe noch schneller als heute Vormittag. Es kam Schlaicher vor, als sei das schon Tage her. Alles war jetzt anders. Was hatten Martina und Weng hier gemacht? Warum waren sie entdeckt worden? Wie ging es ihnen jetzt?
Bevor er die Tür aufzog, gab ihm Irfan ein Zeichen, kurz zu warten.
»Kannst du damit umgehen?« Er holte aus der Tasche eine schwarze Pistole hervor.
»Nichts für mich«, sagte Schlaicher. Es stimmte. Selbst wenn er gewusst hätte, wie man so eine Waffe bediente, würde er wahrscheinlich nicht einmal ein Scheunentor damit treffen.
»Dann nehme ich die«, sagte Lutz. »Ich bin einer der letzten Jahrgänge, die zur Bundeswehr mussten«, erklärte er auf Schlaichers überraschten Gesichtsausdruck hin.
Irfan gab ihm die Pistole und war durch die Tür verschwunden, kaum dass der Spalt groà genug war. Lutz sprang ihm nach, als wisse er, was zu tun war. Schlaicher hoffte, dass dem so war.
»Sauber«, hörten sie Irfan sagen.
»Sauber«, wiederholte Lutz.
Die Halle war leer.
*Â *Â *
Weng Kirchhoff hatte bereits wunde Handgelenke. Alle Versuche, sich von den Handschellen zu befreien, hatten ihr auÃer Schmerzen nichts eingebracht. Sie saà auf dem Betonboden im hinteren Bereich des Lagerraumes, die kurze Kette zwischen den Schellen um ein Metallrohr befestigt, das direkt neben ihr aus dem Boden kam und in der Decke wieder verschwand. Mehrere metallische Verstrebungen befestigten es so sicher an der Wand, dass sie es nicht einmal zum Wackeln bekam. Martina kauerte ein Rohr weiter. Sie hätten sich gerade so mit den FüÃen berühren können, wenn das irgendetwas gebracht hätte.
Die beiden Riesen, denen sie drauÃen auf dem Parkplatz in die Arme gelaufen waren, hatten ihnen festes Gewebeklebeband über den Mund und einmal rund um den Kopf gewickelt. Es war unmöglich, es zu lockern. Sie atmeten seit gefühlten drei Stunden nur noch durch die Nase. Es war ihnen nicht einmal möglich, auÃer mit Blicken miteinander zu kommunizieren.
Martina sah aus, als könnte sie jeden Moment durchdrehen. Das Weià in ihren Augen war trotz des nur knappen Lichts einer Deckenlampe deutlich zu erkennen. Und Weng hatte bestimmt genauso viel Angst wie sie. Nüchtern betrachtet, stand ihnen keine rosige Zeit bevor.
Sie hatten gestern Abend nach dem Gespräch mit Schlaicher und Lutz bei Martina noch etwas getrunken, über Männer und Morde geredet und kurz nach Mitternacht ziemlich spontan beschlossen, der Lefèvre heute zu folgen. Die war zum Lager gefahren, und sie hatten beobachtet, wie sie sich hier mit mehreren nicht gerade nett wirkenden Männern traf. Neben ihrem grünen Jaguar parkte der dunkle BMW , von dem Schlaicher gesprochen hatte, auÃerdem ein schwarzer Mercedes, der aussah wie eine Staatskarosse, und ein kleinerer, silberfarbener Benz. Alle Autos hatten Frankfurter Kennzeichen. Sie waren wohl zu neugierig geworden, denn nachdem die Tür der Lagerhalle sich hinter der Gruppe wieder geschlossen hatte, waren sie zu einem Fenster geschlichen, um
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