Salamitaktik
anzuherrschen, sich wieder hinzusetzen, sagte Irfan allerdings fast flehend zu Mario: »Habe ich es denn wirklich nicht oft genug gesagt: Keine Namen.«
»Kann ich mir das kurz anschauen?«, fragte Schlaicher.
Irfan seufzte. »Dann geht halt alle da rüber«, befahl er, fuchtelte mit der Waffe und folgte ihnen. »Was ist das für ein Ort da auf dem Bildschirm?«, wollte er wissen.
»Sie haben ja vermutlich schon herausgefunden, dass ich als Privatdetektiv arbeite«, erklärte Schlaicher, während er Mario über die Schulter schaute. »Das ist das Lager einer Frau, von der ich denke, dass sie in ein Verbrechen verwickelt ist.«
Zu sehen war das Bild der Fensterkamera, das bei der einsetzenden Dämmerung noch schlechter war als zuvor. Fünf Personen standen an der Tür, die in den geheimen Bereich führte. Vier Männer und eine Frau, die nur die Lefèvre sein konnte. Der automatische Zoom der Kamera quälte sich ab und versuchte, die Gruppe scharf zu stellen, was aber schon allein wegen der schlechten Lichtverhältnisse nicht mehr funktionierte. Man konnte eher erahnen als erkennen, wie sich die Tür öffnete und die vier Männer Emanuelle Lefèvre in den eben noch verschlossenen Raum folgten. Der Zoom schaltete zurück.
»Wir müssen auf die andere Kamera umschalten«, sagte Schlaicher und griff nach der Maus. Fast rechnete er damit, vom Computer wegbefohlen zu werden, aber offensichtlich fanden auch alle anderen den geheimen Live-Einblick interessant. Dieser Irfan zumindest sagte nichts. Und er war der mit der Waffe.
Schlaicher tauschte den Platz mit Mario und stellte auf die zweite Kamera um, die deutlich besser mit dem Licht zurechtkam. Wahrscheinlich auch deshalb, weil keine verschmierte Scheibe zwischen ihrem Objektiv und dem Aufnahmeziel war. Der Zoom hatte sich bereits aktiviert und gab durch die geöffnete Tür einen Einblick in den geheimen Bereich dahinter.
»Was sind das für Kisten?«, fragte Lutz.
»Keine Ahnung«, antwortete Schlaicher gebannt. Er hatte vergessen, dass er eigentlich gerade mit einer Pistole bedroht wurde.
Jetzt trat einer der Männer mit einer Brechstange ins Blickfeld und machte sich an den Deckeln der Kisten zu schaffen. Ein anderer Mann sprach im Hintergrund mit der Lefèvre und drehte sich dabei immer mehr in Richtung der Kamera. Schlaicher hörte Irfan die Luft einziehen. Im gleichen Moment holte ein weiterer Mann etwas aus der mit der Brechstange geöffneten Kiste, was auch Schlaicher den Atem raubte. Es sah aus wie ein Maschinengewehr, das Lefèvres Gesprächspartner gereicht wurde. Der Mann hob das Gewehr mit beiden Händen an und betrachtete es prüfend. Er war, soweit man das über den Monitor erkennen konnte, um die fünfundfünfzig Jahre alt, schlank und hochgewachsen. Er trug kurzes Haar und einen Anzug ohne Krawatte.
*Â *Â *
Bogdan Petrov Lalev! Der General.
Irfan kannte diesen Mann. Es war wahrscheinlich leichter, bei der Kanzlerin einzubrechen, als an Lalev heranzukommen. Ein wirklicher General war er nie gewesen, er hatte aber früher einmal einen hohen Posten im KDS besetzt gehabt, dem Komitee für Staatssicherheit. Nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Regimes hatte der Bulgare ein Vermögen angehäuft. Irfan wusste, wodurch: Er hatte seine alten Beziehungen genutzt und war bei der Bulgarenmafia eingestiegen. Seit zwei Jahren machte er Umut in Frankfurt Ãrger. Seine Leute fassten dort Fuà und scherten sich einen Dreck darum, dass die Familie die älteren Rechte hatte. Der General hatte das Geld und die Ressourcen. Wanderte einer seiner Leute in den Bau, kamen zwei neue aus Bulgarien nach. Bisher hatte Umut gedacht, dass sich die Gruppe um den General auf Drogen und Mädchen spezialisiert hatte, aber offenbar war er auch im Waffengeschäft aktiv. Und jetzt war er hier, direkt vor seiner Nase.
Bogdan Petrov Lalev reichte das Gewehr an einen anderen Typen weiter, der es in die Kiste zurückpackte. Lalev ging zwei Schritte zur Seite und war damit aus dem Blickfeld der Kamera verschwunden. Die Frau folgte ihm.
*Â *Â *
»Die Lefèvre macht in Waffen«, sagte Lutz. Schlaicher bemerkte, dass ihm der Mund offen stand. Das war also das düstere Geheimnis? Kaum zu glauben. Es war düsterer, als Schlaicher sich es je hätte vorstellen können. Jetzt verstand er den einen Begriff, den er bei dem belauschten Telefonat
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