Salamitaktik
einen Blick in die Halle werfen zu können. Weng verfluchte sich dafür, dass sie nicht besser aufgepasst hatte. Plötzlich, wie aus dem Nichts aufgetaucht, waren da diese beiden gewaltigen Männer gewesen und hatten ihnen in stark osteuropäisch eingefärbtem Deutsch und vor allem mit ihren Pistolen zu verstehen gegeben, dass sie ihnen folgen sollten. Weng hatte genauso wenig eine Chance gesehen, aus der Situation zu entkommen, wie Martina. Die beiden Typen, groà und breit wie Schränke, wirkten nicht so, als würden sie Spaà verstehen.
Man hatte sie in die Halle zu den anderen Männern gebracht. Da war auch die Lefèvre gewesen. »Sie wissen zu viel«, waren ihre einzigen Worte, die sie mit einem kalten Blick wie ein Todesurteil vorbrachte. Gerichtet waren sie an einen Mann, der einen extrem teuer wirkenden Anzug trug und penetrant nach einem erdigen Parfüm roch. Weng schätzte ihn auf zwischen fünfzig und sechzig Jahre, obwohl sein Körper gestählt war. Sicher trainierte er regelmäÃig. Die anderen Kerle kuschten vor ihm wie kleine Sünder vor dem Satan.
Als die beiden Riesen sie auf Befehl des anderen an die Rohre gekettet hatten, musste Weng sich auch noch lüsterne Blicke gefallen lassen. Der Typ hatte ausgesehen, als würde er sie lieber wirklich und nicht nur mit Blicken ausziehen. Sein Boss, dem gegenüber sich auch Emanuelle Lefèvre ungewohnt unterwürfig benahm, hatte in einer osteuropäisch klingenden Sprache, die sie nicht näher zuordnen konnte, etwas zu ihm gesagt. Der GroÃe hatte ihr daraufhin seinen riesigen Zeigefinger unters Kinn gelegt und ihren Kopf hochgeschoben. In seinem Grinsen steckte eine unbändige sadistische Lust. Und die Sprache brauchte sie nicht zu verstehen, um zu fürchten, was er sagte. Dann waren alle gegangen und hatten sie allein gelassen. Jede Minute der folgenden Ewigkeit fürchtete Weng, dass ihre Peiniger zurückkehren könnten.
»Hmmm«, stöhnte Martina. Weng schaute zu ihr und folgte ihrem Blick zur Tür. Sie konnte jetzt auch etwas hören: Jemand machte sich daran zu schaffen. Sie schaute Martina in die Augen, und die beiden Frauen nickten einander zu. Wenn Wengs stumme Botschaft von Martina verstanden worden war, hatte sie gerade zugestimmt, jede Möglichkeit zur Flucht zu nutzen, die sie bekommen würden. Und falls nötig, auch zu töten.
*Â *Â *
Schlaicher tippte noch mal die 8228, aber die Tür öffnete nicht. Dabei war er sich doch ganz sicher gewesen, die Kombination richtig gesehen zu haben. Vielleicht konnte man sie nur eingeben, wenn im Hauptschloss ein Schlüssel steckte?
»Die Tür nimmt den Code nicht an«, sagte Irfan. Lutz und Mario waren im vorderen Bereich geblieben, um sie warnen zu können, falls die Bulgaren zurückkamen.
»Ich schätze wir müssen erst einmal hoch in das Büro von der Lefèvre und einen Schlüssel suchen«, schlug Schlaicher vor.
»Keine Zeit«, sagte Irfan und kramte wieder in seiner Tasche. Schlaicher fragte sich, was da wohl alles drinstecken mochte. Mit dem, was der Türke schlieÃlich daraus hervorholte, konnte er allerdings erst mal gar nichts anfangen. Es handelte sich um ein Stück rosafarbene Knete. Dazu hatte er ein durchsichtiges Tütchen mit kurzen Drähten in der Hand, die an jeweils einer Seite ein würfelgroÃes Kästchen besaÃen. Irfan nahm Schlaichers Position an der Tür ein und drückte das Knetzeug auf Höhe des Schlosses in die Kante zwischen Tür und Zarge.
»Das geht nicht«, sagte Schlaicher empört, als ihm klar wurde, was er vorhatte. »Wir können die Tür doch nicht sprengen! Die Frauen sind da drin.«
»Die Menge reicht hoffentlich gerade, um die Tür aufzubekommen. Vertrau mir. Es ist nicht das erste Mal, dass ich so etwas mache.«
Schlaicher hatte keine andere Wahl. Er folgte Irfan, der sich einige Meter entfernte und hinter einem Metallschrank bei der Verpackstation Deckung suchte. Er zog Schlaicher hinter sich und holte dann einen kleinen Sender aus der Tasche, der aussah wie eine Fernbedienung für ein automatisches Garagentor.
»Ohren zu«, sagte er, und Schlaicher hatte gerade die Hand gehoben, da gab es auch schon einen gewaltigen Knall. Durch die Explosion konnte man zuerst gar nichts sehen, aber der Rauch und der Staub legten sich schnell.
»Hey! Alles klar bei euch?«, rief Mario besorgt. Irfan
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