Salamitaktik
sein. Lutz sagte: »Ich hoffe, aus uns wird noch was!«, schnappte sich sein Gewehr und war aus der Tür, bevor sie reagieren konnten.
*Â *Â *
Irfan war keine andere Wahl geblieben als der Angriff. DrauÃen zischte sofort eine Kugel an seinem Kopf vorbei. Der Mann, der auf ihn schoss, würde irgendwann treffen, während Irfan mit dem Gewehr auf die Distanz nicht schnell genug reagieren konnte. Er rannte daher auf einen Gabelstapler zu, warf sich drei Meter davor mit Schwung auf den Boden und rutschte so in Deckung. Er schaltete auf Dauerfeuer um und sprintete wieder los, wobei er die Mündung in die Richtung hielt, wo sich der General aufhalten musste. Er traf niemanden, dafür setzte kurz das Feuer auf ihn aus. Die anderen brachten sich aus der Schusslinie. Jetzt war er der Angreifer, eine Rolle, in der sich Irfan viel wohler fühlte, die er bis zur Perfektion beherrschte. Trotzdem war er sich mit jeder Faser seines adrenalindurchfluteten Körpers bewusst, dass er während der Attacke am verwundbarsten war. Irfan stoppte an einem vollbeladenen Regal in der Nähe der Packstation und sah im Gang vor sich den Mann liegen, den er vorhin aus dem Lagerraum heraus angeschossen hatte. Ein Glückstreffer, aber nicht glücklich genug. Der Mann lebte und starrte ihn mit ängstlichem Blick an. Gleichzeitig riss er seine Pistole hoch. Das ging wiederum ganz langsam. Irfan war wie in einer mit Gelee gefüllten Blase gefangen, die Bewegungen nur in Zeitlupe zulieÃ. Es war ein Schneckenrennen darum, wer von beiden seine Mündung zuerst auf den anderen ausrichten konnte. Die Augen seines Gegenübers spiegelten das gleiche Erleben wider. Was mochte der Mann in ihm sehen? Ein Opfer, das gleich blutend neben ihm am Boden liegen würde? Oder den letzten Menschen, den er in seinem Leben erblickte?
Mit dem Lärm der Schüsse implodierte die Blase. Die Zeit hetzte weiter. Die Kugel des Mannes verfehlte knapp Irfans Kopf, seine eigene Salve jagte dem Gegner eine gerade Linie von sich rot füllenden Löchern in die Brust. Irfan lieà den Abzug erst los, als das Magazin leer war. Von rechts hörte er bereits wieder laute Befehle.
Zwei waren weg. Er konnte nur hoffen, dass die anderen mit dem Mann hinten fertig geworden waren. Das wäre Nummer drei. Das hieÃ, dass drei weitere in der Halle darauf warteten, ihre Kameraden zu rächen. Endlich hatte er das Magazin gewechselt. Dann sah er den General.
Bogdan Petrov Lalev wollte im Schutz von zwei riesigen Männern nach drauÃen gelangen. Er war genau auf der anderen Seite der Halle und lief geduckt in Richtung Ausgang, während die beiden Bewacher mit ihren Pistolen seinen Rückzug deckten.
Irfan sprintete los. Er war all diese Risiken nicht eingegangen, um den General entkommen zu lassen. Er musste ihnen den Weg abschneiden. Die Schüsse, die der eine Bewacher auf ihn abgab, kamen nicht einmal in seine Nähe. Es waren zu viele Regale voller Kartons zwischen ihnen, sodass die Kugeln auf ihrer Flugbahn einfach irgendwo stecken blieben. SchieÃt nur, dachte er und stürmte noch einen Tick schneller nach vorne, bis er an eine gröÃere freie Fläche kam und scharf abbremste. Die anderen hatten ihn erwartet, und er wäre genau in die Kugeln gelaufen, wenn er sein Tempo beibehalten hätte. So aber überlebte er nicht nur, sondern konnte das Feuer erwidern, was den General zwang, seine Flucht auszusetzen und sich zu verstecken.
Ein wilder Schrei drang aus Richtung des Waffenlagers an sein Ohr, gefolgt von einer wilden Salve aus einem Sturmgewehr. Irfan duckte sich instinktiv. Wenn das der Bulgare war, der ihn zur Flucht gezwungen hatte, wäre es vorbei. Irfans einziger Vorteil war die bessere Waffe gewesen. Von einer baugleichen Waffe auf der einen und Pistolen auf der anderen Seite eingekesselt zu sein, würde sein sicheres Ende bedeuten. Ein kurzer Blick über die Schulter nach hinten zeigte ihm, dass es kein Bulgare war, sondern Lutz. Er atmete auf.
Der General hatte die halbe Sekunde der Ablenkung genutzt, um loszulaufen und sich von Deckung zu Deckung näher an den Ausgang heranzuarbeiten. Auch ihm musste klar sein, dass seine beiden Bodyguards einen einzelnen Mann mit Sturmgewehr möglicherweise abhalten konnten, dass aber eine zweite automatische Waffe die Waagschale deutlich anders ausschlagen lieÃ. Einer der Männer flüchtete mit ihm, der andere hielt die Stellung. Er hatte
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