Salamitaktik
Irfan damit festgesetzt und hielt dem General den Rücken frei.
Lutz stürmte vor wie ein ungeduldiger Spieler eines Ego-Shooters, der jederzeit den letzten Speicherstand wiederherstellen konnte. Im echten Leben ging das nicht. Allerdings galt das auch für den Bulgaren, der von einem von Lutzâ Schüssen getroffen wurde. Dabei hatte der nicht einmal in seine Richtung gezielt. Er musste mit einem Abpraller unverschämtes Glück gehabt haben.
Der Sturz des Mannes war noch nicht beendet, da rannte Irfan schon weiter. Zeitgleich ratterte das Maschinengewehr von Lutz wieder los. Das Feuer sorgte dafür, dass der General und sein letzter Bewacher ihre Flucht erneut unterbrechen und eine Deckung suchen mussten. Irfan lieà sein eigenes Gewehr eine Salve spucken, die die beiden dazu zwang, die Köpfe unten zu lassen. Während sie sich duckten, kam Irfan endlich auf ihrer Höhe an. Er sprang um die Ecke, und da waren die beiden: auf einer geraden Linie knapp fünfundzwanzig Meter entfernt. Der General schob ein neues Magazin in seine Waffe, der Bodyguard schoss in die Richtung, aus der Lutz sich ihnen näherte. Irfan durfte keine Zeit verlieren. Das war seine einzige Chance, und wahrscheinlich auch die letzte für Lutz. Es kam einem Wunder gleich, dass er nicht schon getroffen war. Irfan hob das Gewehr, als der General gerade nachgeladen hatte und in seine Richtung blickte. Trotz der Entfernung erkannte Irfan das Entsetzen in seinem Blick. Am liebsten hätte er ihm noch »GrüÃe von Umut« zugerufen, aber sein Zeigefinger legte sich schon um den Abzug und lieà nicht wieder los.
Mit jeder kleinen Explosion im Inneren der Waffe hämmerte dem General ein tödliches Geschoss aus ihrem Lauf entgegen. Und mit den Kugeln erreichte ihn das einzige Mittel der Welt, das wirklich vor dem Altern schützte: ein vorzeitiger Tod.
Er prallte mit schockierender Wucht nach hinten gegen eine metallene Regalstütze. Einen Moment verharrte er da, seine Hände auf die Wunde gepresst, und starrte argwöhnisch an sich herab. Dann sank sein Körper zu Boden.
Der Bodyguard hatte sich offenbar auch eine Kugel eingefangen. Er glotzte auf seinen linken Arm, der unvermittelt schlaff an seiner Seite baumelte, stieà einen wutentbrannten Schrei in Irfans Richtung aus und rannte mit wirrem Blick und vollem Tempo auf ihn zu. Nach auÃen hin vollkommen ruhig, setzte Irfan das Sturmgewehr neu und zum ersten Mal gezielt an, nahm den groÃen Körper des immer schneller werdenden Bulgaren ins Visier und drückte ab. Doch alles, was er hörte, war ein Klicken, das im gefährlich laut gewordenen, hasserfüllten Brüllen des anderen unterging. Das Magazin war leer. Im nächsten Moment donnerten sie zusammen, und Irfan wurde durch die Wucht die Luft aus den Lungen getrieben.
*Â *Â *
Lutz war durch die Tür nach drauÃen gesprungen, wo heftig gekämpft wurde. Schlaicher fühlte sich wie im Krieg. Im Moment galt das Feuer Gott sei Dank nicht mehr der Tür. Er half Weng auf die Beine und zog sie noch etwas weiter nach hinten. Eine Weile war es drauÃen still, dann gab es ein Brüllen von Lutz und wieder Schüsse. Sie schienen sich langsam zu entfernen. Ein Schmerzensschrei ertönte, gefolgt von Lauten, die sich nach einem wütenden Bären anhörten. Es folgte ein letzter Schuss, dann herrschte endgültig Stille.
*Â *Â *
Um Punkt neunzehn Uhr stand Schlageter in einem dunklen Anzug mit Hemd und Krawatte im von unbekannten Zauberhänden geschmückten Keller und begrüÃte die ersten Gäste. Er hatte den Anzug kurz vor Jacquelines Abfahrt mit ihr zusammen extra für diesen Anlass gekauft und erhielt einige Kommentare zu seinem auÃergewöhnlichen Aussehen.
»Ich hätte schwören können, dass Sie Karos anhaben«, meinte der Oberstaatsanwalt und nahm ihn kurz zur Seite. »Gut gemacht, Schlageter. Aber über die Sache mit der Obduktion reden wir noch mal, wenn das hier vorbei ist.«
Helbach war noch vor Schlageter hier gewesen, und der Kommissar vermutete, dass es ihm zuzuschreiben war, dass der Gewölbekeller noch stimmungsvoller wirkte als sonst. Jetzt huschte er umher und bot den Gästen Getränke an. Schlageter winkte ihn zu sich.
»Und, läuft doch prima«, freute sich Helbach.
»Kann man sagen. Helbach, ich möchte mich bei Ihnen bedanken. Von ganzem Herzen. Nicht nur für das hier«, dabei
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