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Salamitaktik

Salamitaktik

Titel: Salamitaktik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf H. Dorweiler
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als nun alle über ihn lachten.
    Dass Irfan wenig später einen Rinderbraten statt eines Schweineschnitzels aufgetischt bekam, war bald gar kein Thema mehr. Stattdessen sprach die Herrenrunde über die Irrungen und Wirrungen der christlichen Geschichte, nachdem Georg Birktaler gesagt hatte, dass »auch wir Christen Dreck am Stecken« hätten. Mario schaltete sich ab und zu ein und korrigierte einen falschen Ansatz, etwa dass die Christen vor zweitausend Jahren in Südamerika gewütet hätten. Irfan wunderte sich über das profunde Wissen des jungen Mannes, der irgendwann nach dem Essen aufstand, um vor der Tür eine zu rauchen. Er schloss sich ihm an.
    Â»Du gehörst mit zu dem Verein?«, fragte er, als sie draußen standen.
    Â»Nein, ich habe nur bei zwei Stücken das Schlagzeug fürs Jahreskonzert übernommen.«
    Â»Ich hab gedacht, dass du abhauen willst«, sagte Irfan mit einem warnenden Unterton in der Stimme.
    Mario nahm einen tiefen Zug von der Zigarette und sagte: »Und meine Großeltern mit einem Killer allein zurücklassen?«
    Â»Sag das nie wieder!«, herrschte Irfan ihn an.
    Mario blickte verunsichert zu Boden. »Bist du das denn nicht?«, brachte er schüchtern hervor.
    Â»Wenn wir diesen blöden Koffer finden, den du verloren hast, muss niemandem etwas passieren.«
    Mario schaute ihn wieder an. »Meine Großeltern können nichts dafür. Lass sie in Ruhe.«
    Irfan nickte und ließ Mario draußen stehen. Drinnen setzte er sich wieder an seinen Platz und wurde von Karlfrieder nach seiner Heimat gefragt.
    Â»Frankfurt«, antwortete er.
    Â»He nai, nidd, wo du wohnsch, sondern wo de häär bisch«, hakte der dürre Alte nach. »E Düürg, oder?«
    Â»Ich bin in Deutschland geboren, mein Vater ist als junger Mann aus der Türkei hierhergekommen.«
    Â»Jaa. Saag emool, was singd mr eso in dr Dürgei?«
    Irfan überlegte eine Sekunde und stimmte ein Lied an, das sein Vater ihm immer vorgesungen hatte. Es fehlte eine Saz, ein Saiteninstrument für den richtigen Klang, aber er schlug den für die Chorsänger ungewohnten Rhythmus mit den Händen auf dem Tisch, dass die Biergläser wackelten. Im Restaurant war es vollkommen still geworden. Die Chormänner, Mario und ein paar jüngere Kerle am Stammtisch waren die letzten Gäste, die alle den fremdartigen Klängen lauschten. Irfan war ein guter Sänger, ein Bariton mit kräftigem, samtigem Timbre, der alle Umspielungen leicht und klar intonieren konnte. Es war ein Lied über die Heimat, und Irfan machte es mit dafür verantwortlich, dass die Musik schon als Kind seine eigentliche Leidenschaft geworden war.
    Als das Stück zu Ende war, blieb es noch einen Moment ruhig, dann ertönten Bravo-Rufe, Applaus und dumpfes Schulterklopfen der Männer, die direkt in seiner Nähe saßen.
    Â»Jedz simmiir draa«, sagte Karlfrieder und gab einen tiefen Ton vor, bevor er die ersten Worte sang: »Das schönste Land in Deutschlands Gau’n«.
    Sofort stimmten alle in das Irfan vollkommen unbekannte Lied mit ein, selbst Mario erhob sich mit den anderen, die ihre Biergläser in die Luft reckten oder die Rechte auf ihr Herz legten.
    Â»Das ist mein Badner Land,
    Es ist so herrlich anzuschau’n
    Und ruht in Gottes Hand.
    Drum grüß ich dich, mein Badner Land,
    Du edle Perl im deutschen Land, deutschen Land.
    Frisch auf, frisch auf, frisch auf, frisch auf,
    frisch auf, frisch auf, mein Badner Land!«
    Als das Badner-Lied zu Ende war, stießen alle miteinander an, setzten sich wieder, und bald wurde das nächste Bier gebracht. Für Irfan gab es noch eine Cola.
    * * *
    Gegen halb neun rief Jacqueline bei Schlageter an. Sie erzählte ihm von ihren heutigen Erlebnissen auf ihrem Seminar in Bern, von dem sie am Samstagabend zurückkommen würde. Sie wollte dann gleich nach Lörrach fahren, um noch etwas von der Party mitzubekommen. Schlageter freute sich, dass sie dabei sein würde, und berichtete auf ihre Nachfrage hin von seinen bisherigen Planungen. Jacqueline war nicht die Frau, die berechtigte Kritik herunterschluckte. So merkte sie an, dass ein Chili zu kochen, vielleicht nicht die beste Idee sei.
    Â»Schmeckt dir mein Chili nicht?«, fragte Schlageter sie.
    Â»Doch, sicher, es ist immer recht fein«, antwortete sie mit ihrem leichten Basler Akzent. »Aber ich frage mich, wo du das

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