Salamitaktik
auf Schlaicher, gab ihm aber mit einem Nicken zu verstehen, dass es in Ordnung war, bevor er sich dem anderen Beamten zuwandte. Emanuelle Lefèvre war sichtlich genervt von der ganzen Situation.
Schlaicher folgte dem Kommissar in eine etwas ruhigere Ecke. Schlageter setzte sein strenges Gesicht auf. »Egal, was hier los ist, halten Sie sich raus«, sagte er warnend.
»Bitte? Hier ist doch gar nichts los.«
»Wenn Sie in der Nähe sind, ist meistens etwas los. Nicht dass aus einer harmlosen Allergie plötzlich ein Mordversuch wird«, schimpfte Schlageter. Dann senkte er die Stimme und wechselte das Thema: »Es ist trotzdem schön, Sie zu sehen.«
»Ja, das stimmt. Dabei treffen wir uns doch übermorgen schon wieder.«
»Sie kommen zu meinem Abschied?«
»Wenn die Einladung noch steht ⦠Meinen Sie, das lasse ich mir entgehen? Ich hoffe, Sie haben ordentlich was zum Essen da. Ich faste jetzt schon.«
Schlageter grunzte missmutig.
»Die Frau Holzhausen ist ja auch hier«, sagte er. »Arbeiten Sie wieder zusammen? Ich würde mich freuen, wenn Sie sie mitbringen.«
An Schlaichers rotem Kopf merkte er, dass er hier wohl einen wunden Punkt getroffen hatte.
»Ich kann ja mal fragen«, antwortete Schlaicher.
5
Am nächsten Morgen war Schlageter schon sehr früh im Büro. Ob es die Sorge über die immer noch fehlende Grundversorgung seiner Gäste war oder das Erlebnis mit der Frau, die nach ihrem Karstadt-Besuch ins Krankenhaus hatte gebracht werden müssen, er hatte ziemlich schlecht geschlafen und war schon um fünf Uhr von allein wach geworden. Und obwohl er nach dem Aufstehen getrödelt hatte, war es jetzt erst halb sieben.
Jacqueline hatte natürlich recht damit, dass ihm die Kapazitäten fehlten, so viel Chili selbst zuzubereiten. Die Frage war nur, ob er sich einen Ort suchen sollte, wo dies möglich wäre, eine GroÃküche etwa, die er nutzen konnte. Oder ob er doch lieber weitersuchte â nach einem Profi, der sowohl das Können als auch die Infrastruktur für die Bewirtung einer solchen Gästezahl besaÃ.
Eine äuÃerst heftige allergische Reaktion, hatte der Arzt gesagt, mit dem er gestern vor dem Karstadt noch kurz gesprochen hatte. Wenn dieses Mittel der Schminklady daran schuld war, würde es nicht mehr lange auf dem Markt sein. Dafür würde er schon sorgen. Schlageter hatte ohnehin kein Verständnis für die ganze Schminkerei der Frauen. Natürlich störte es ihn nicht, wenn sie einen Pickel übermalten, aber diese Angewohnheit, sich immerzu das Gesicht vollzukleistern, hatte ihn noch nie angemacht. Und er kannte auch keinen Mann, der es wirklich anregend fand, nach einem Kuss mit dem roten Zeugs verschmiert zu sein. Jacqueline übertrieb es zum Glück nicht. Sie war sowieso eine erstaunlich intelligente, selbstbewusste und starke Frau, die vor allem genauso wie er einen Hang zum Praktischen hatte. Ohne Jacqueline hätte er heute Abend in seiner kleinen Küche gestanden und festgestellt, dass er die kiloweisen Zutaten gar nicht verarbeiten konnte.
Schlageter setzte sich aufrecht hin und dehnte seinen schmerzenden Nacken. Vielleicht lag es auch an dieser Verspannung, dass er keinen klaren Gedanken fassen konnte, sondern von einem Thema zum nächsten schweifte. Natürlich, er hatte schlecht geschlafen. Eigentlich sollte man sich in der Nacht regenerieren, entspannen, zur Ruhe kommen. Aber wie sollte das funktionieren, wenn mal wieder urplötzlich dieser Schlaicher auftauchte? Der hatte â das gestand Schlageter sich nur im Stillen und einzig vor sich selbst ein â schlieÃlich schon ein paarmal einen ganz guten Riecher bewiesen, wenn es um einen Kriminalfall ging. Aber er war eben nur ein Testdieb. Und hier gab es keinen Kriminalfall. Oder?
Er spürte, dass ihn die Müdigkeit in den alten Knochen und im nicht jüngeren Kopf beeinträchtigte, also marschierte er in die Küche, um sich einen zweiten Kaffee zu holen. Nachdem die Tassen von seinem Schreibtisch den Weg durch den Geschirrspüler gefunden hatten â oder aber von der Putzfrau weggeworfen worden waren, weil die Henkel fehlten â war der sonst nahezu leere Hängeschrank nun zum Bersten gefüllt. Schlageter griff nach einer Tasse mit Polizeiwerbung aus den frühen neunziger Jahren und bediente sich groÃzügig aus der Mannschaftskanne. Im Kühlschrank
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