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Salamitaktik

Salamitaktik

Titel: Salamitaktik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf H. Dorweiler
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nickte und fragte: »Tannezäpfle?«
    Irfan blickte sie verständnislos an. Was sollte er mit einem Tannenzapfen?
    Â»Isch das nüdd für Sie? Wänn Sie öbbis anders?«
    Irfan verstand kein Wort.
    Â»Ob Sie öbbis zum Dringge wodde.«
    Jetzt machte Irfan »Ah« und nickte. »Cola«, ergänzte er.
    Als er die Tür zum Nebenzimmer öffnete, schaute eine Gruppe größtenteils älterer Herren von ihren Noten auf. Der Dirigent, der zuvor noch mit dem Rücken zu Irfan gestanden hatte, schaute sich um und sagte: »Tut mir leid, wir proben hier.«
    Â»Moment, der gehört zu mir«, rief Mario, der hinter einem Schlagzeug saß und nun aufsprang und zu Irfan lief. »Was machen Sie denn hier?«, flüsterte er ihm zu. Irfan sah, dass Mario rot unterlaufene Augen hatte. Aus dem Mund roch er nach Rauch.
    Â»Das machst du nie mehr«, sagte Irfan laut genug, dass alle es hören konnten, wobei einige die kleine Pause nutzten, um sich miteinander zu unterhalten. Marios Großvater kam nun allerdings ebenfalls zur Tür, und auch der Dirigent, der etwas ungehalten über das plötzlich ausgebrochene Tohuwabohu war, stieß dazu.
    Â»Was isch jetz loos? Isch öbbis middem Helen?«, fragte Georg Birktaler.
    Â»Hören Sie, wir müssen jetzt weitermachen«, ging der Dirigent dazwischen.
    Â»Kann er nicht einfach zuhören?«, fragte Mario, während Irfan Birktaler zu verstehen gab, dass es seiner Frau gut ging.
    Â»Mario hat wohl vergessen zu sagen, dass ich vorbeikommen wollte. Ich liebe Musik«, sagte Irfan zum Dirigenten, der beim letzten Satz sofort weicher wurde.
    Â»Ja, die Musik!«, schwärmte er. »Aber es bedarf doch einiger Proben, damit sie so klingt, wie sie klingen soll. Setzen Sie sich einfach dazu, aber seien Sie leise.«
    Irfan sah Mario an, dass der gar nicht mitbekommen hatte, wie sauer er auf ihn war. Wie ein kleiner Junge sprang er zurück zu dem Schlagzeug und wirbelte mit den Stöcken herum, als würde er gleich mit einer Rockband in einem Stadion vor zwanzigtausend Leuten spielen. Stattdessen gab es nur Irfan als Publikum – und die Band bestand aus siebzehn älteren Herren. Zudem hatte Mario gerade gar nichts zu spielen. Er lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück, als der Chor auf ein Zeichen des Dirigenten melancholisch den »Bajazzo« anstimmte.
    Â»Warum bist du gekommen, wenn du schon wieder gehst?
    Du hast mein Herz genommen und wirfst es wieder weg.
    Ich bin kein Bajazzo, bin auch ein Mensch wie du,
    und leise schlägt mein Herz dir zu.«
    Irfan kannte weder Melodie noch Text, doch das Lied packte ihn, und bei der vierten Strophe summte er mit und begleitete den Herrenchor sogar bei der Wiederholung des Refrains: »Erst wenn du dem andern die Hand zum Leben reichst, erst dann sag ich nicht mehr vielleicht.«
    Es blieb danach einen Moment still. Der Dirigent bedankte sich bei seinen Sängern und drehte sich anschließend kurz zu Irfan, um ihm anerkennend zuzunicken.
    Die Probe dauerte noch etwa eine Dreiviertelstunde, bis sich der Dirigent vor seinem Chor verbeugte und ihm Applaus spendete, der von den Herren unter wildem Getrommel von Mario am Schlagzeug erwidert wurde. Nur wenige Minuten später fand sich Irfan mit Mario und sieben Herren, einer davon der alte Birktaler, an einem Tisch in der Stube wieder. Die Bedienung, die ihn beim Hereinkommen angesprochen und im Nebenzimmer seine Cola serviert hatte, brachte ihnen ungefragt Bier, was Irfan aber ablehnte und in eine zweite Cola umbestellte.
    Â»Aber e Schnitzeli, das nimmsch drno scho au, oder?«, meinte sie, als sie die Cola brachte. Irfan verstand nur Schnitzel und fragte, ob er etwas mit Rindfleisch haben könnte.
    Â»Dää isch e Islamischd«, erklärte Georg Birktaler den anderen am Tisch.
    Â»Moslem, Opa. Ein Islamist ist jemand, der radikal ist«, erklärte Mario und begann zu lachen, als ein dürrer Alter namens Karlfrieder verschmitzt nachfragte, ob die Radikalen »zu dieser Ida« gehören würden: »Wiä heißd diä nomool middem Noochname?«
    Irfan wusste gar nicht, was gemeint war. Erst als Mario die Frage prustend mit: »Alka«, beantwortete, musste auch er lachen.
    Â»Genau«, meinte Karlfrieder mit todernster Miene, »die Alka Ida.«
    Â»Du meinsch selli Al Quaida«, rief ein anderer, der erst verstand, dass Karlfrieder einen Witz gemacht hatte,

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