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Salamitaktik

Salamitaktik

Titel: Salamitaktik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf H. Dorweiler
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Abfertigungshalle am Frankfurter Flughafen zu Beginn der Sommerferien.
    Emanuelle Lefèvre hielt die Samtdecke hoch und bildete damit einen Sichtschutz nach vorne. Schlaicher konnte von seiner Position ihren gehetzten Gesichtsausdruck ausmachen und fragte sich, was wohl passiert war. Damit war er offenbar nicht der Einzige, denn von hinten drückten sich die umstehenden Frauen näher heran, strebten neugierig nach vorne. Den ersten Reaktionen nach, kann es nichts Gutes sein, dachte Schlaicher. Auch er drängte sich vorwärts. Ein paar Meter vor ihm hatte Weng bereits jetzt alle Mühe, die neugierigen Frauen davon abzuhalten, zu nahe an die Regale zu kommen, und der Druck von hinten wurde nur noch stärker.
    Â»Meine Damen, es ist alles in bester Ordnung«, dröhnte da die sich überschlagende Stimme von Emanuelle Lefèvre durch die Lautsprecher. »Haben Sie bitte einen Moment Geduld.«
    Schlaicher sah ihr die Ratlosigkeit an. Ihre Mädchen hatten sich um die Liege geschart und schnatterten aufgeregt miteinander. Mathilde hielt die Hände vor die Augen und wandte sich ab. Dann war Schlaicher nahe genug herangekommen, um zu sehen, was die Aufregung verursacht hatte. Das Gesicht der Frau auf der Liege hatte sich in eine wulstige rote, wie nach hundert Wespenstichen von Pusteln bedeckte Masse verwandelt. Sie rang mit weit aufgerissenen Augen nach Luft.
    Wirklich makaber wurde das Schauspiel, als die vor Schreck bleiche Emanuelle Lefèvre nun mit weit ausholender Bewegung die Decke über der Frau ausbreitete und sie vor allem über deren verunstaltetes Antlitz zog. Obwohl es darunter sichtbare Zuckungen gab, wirkte es doch, als sei das Tuch des Todes über eine Leiche gelegt worden. Tamara Brockmann wurde in diesem Moment sicher von keiner ihrer Freundinnen mehr beneidet.
    Â»Bitte, meine Damen, besuchen Sie doch die Tanzvorführung im Obergeschoss«, hörte Schlaicher Gampps Stimme hinter sich rufen. Er drehte sich zum Leiter des Karstadt um. »Schlaicher! So tun Sie doch was!«, rief Gampp ihm zu und verschwand schon wieder, um einige aufgelöst wirkende Kundinnen zu beruhigen und in andere Stockwerke zu lotsen.
    Die Show war spätestens in dem Moment vorbei, als eines der J-Mädchen durch Lefèvres Mikrofon fragte, ob eine Ärztin im Publikum sei. Zwei Frauen meldeten sich und schafften es kaum, durch die neugierige Menge nach vorne zu gelangen. Schlaicher sah auch ihnen den Schreck an, als sie das Gesicht von Tamara Brockmann erblickten. Sie hatten die Frau noch keine Minute behandelt, als eine der beiden auch schon rief, jemand solle einen Krankenwagen anfordern.
    Â»Vermutlich ein allergischer Schock«, hörte Schlaicher sie sagen. Weng hatte inzwischen Verstärkung von Martina bekommen. Gemeinsam hielten sie allzu Neugierige davon ab, sich der Bühne weiter zu nähern.
    Die Frauen zerstreuten sich nur langsam. Wer Tamara Brockmann selbst nicht gesehen hatte, erschauerte bei den Beschreibungen derjenigen Damen, die ganz vorne gestanden hatten. Nach und nach wurde allen klar, dass die Kosmetik-Show vorerst beendet war. Einige kamen trotzdem an den Stand, um nach Pröbchen zu fragen, aber irgendwie war das große Interesse an »Jeune« geschwunden. Das Zeug mochte sauteuer sein, aber wenn man danach nahezu im Koma landete, mochte die Verjüngungskur funktionieren oder nicht, das Ergebnis blieb dasselbe: Man hatte nicht viel davon.
    * * *
    Der »Adler« in Ried war ein schon von außen beeindruckendes Gasthaus, das für Irfan nicht so aussah, als würde es auch Türken zu seinen Gästen zählen. Das lag natürlich unter anderem daran, dass nur wenige seiner Landsmänner – selbst wenn sie schon so lange in Deutschland lebten, dass sie kaum noch Türkisch sprechen konnten – kein Schweinefleisch aßen. Er parkte zwei Plätze neben dem alten Ascona und ging auf die Eingangstüre zu. Der Blick auf die Karte an der Außenwand des Gasthofs zeigte die erwartete Konzentration auf Speisen mit Schwein.
    Einige der Tische waren besetzt mit essenden Leuten, aber Irfan sah sofort, dass Mario und sein Großvater nicht dazugehörten. Aus einem Nebensaal hörte er Musik. Er wandte sich der Tür zu, wurde aber durch den Ruf einer Frau aufgehalten. »Obachd he! Do isch jetz Broob«, sagte sie bestimmt.
    Â»Ja, ich weiß. Ich gehöre zu Herrn Birktaler.«
    Die Dame machte »Ah«,

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