Salomes siebter Schleier (German Edition)
Körperbehaarung», noch an Boomer störte, war, dass er keinen Schimmer von Kunst hatte, sich keinen Deut aus Kunst machte und obendrein auch noch versuchte, sie von
ihrem
Interesse daran abzubringen. (Obwohl Boomer jedes Mal, wenn die jungen Banausen von Colonial Pines sarkastische Bemerkungen über Ellen Cherrys «bekloppte» Gemälde abließen, drohte, ihnen mit seinen stahlverstärkten Arbeitsschuhen die Fresse zu polieren – ein Versprechen, von dem sie wussten, dass er es garantiert gehalten hätte.) Von der Highschool war er abgegangen.
Als man ihn eine Woche vom Unterricht ausschloss, weil er im Biologieraum Bier getrunken und bei verschiedenen Gelegenheiten Randale gemacht hatte, ging er eines Tages nach Hause und setzte nie wieder einen Fuß in die Schule. Der Trainer hätte fast geheult und flehte ihn auf Knien an, sich die Sache noch einmal zu überlegen. Denn Boomer hatte zu diesem Zeitpunkt bereits den Landesrekord im Kugelstoßen und Diskuswerfen gebrochen. Die Hälfte aller Universitäten an der Atlantikküste hatte ihm Stipendien angeboten. Man witterte olympisches Material.
«Stell dir vor, ich würd die besten Jahre meines Lebens auf irgendwelchen Leichtathletikveranstaltungen verbringen», sagte er zu Ellen Cherry. «Nach all dem Training, dem Schweiß und der Anstrengung, wo du nie von was andrem träumst als Kugelstoßen, und so muss es sein, wenn du zur Weltklasse gehören willst – wozu wär ich dann am Ende fähig, außer Werbung für Cornflakes zu machen?»
«Und wozu bist du jetzt fähig, Liebling? Werbung für Pabst Blue Ribbon zu machen?»
Im Dosenbiertrinken gehörte Boomer tatsächlich zur Weltspitze. Er soff wie ein Stier, nicht nur Bier, sondern mindestens genauso viel RC -Cola. Schaufelte Unmengen von Pizza, Wassermelonen und Schoko-Doughnuts in sich rein. Lenkte seinen Schweißbrenner mit rauem Zartgefühl und steckte seinen gesamten Verdienst in einen aufgemotzten Camaro, der nie richtig zu laufen schien. Tanzte und zettelte Schlägereien an und las Spionageromane. Einmal prahlte er damit, jeden Thriller der Welt gelesen zu haben, manche sogar zweimal. Er rauchte billige Zigarren. Machte sich Sorgen um sein schwindendes Haar. Nahm heimlich Tango-Unterricht. Und war verknallt in Ellen Cherry Charles.
Dass diese Liebe von Verlin und Buddy gebilligt und sogar begünstigt wurde, schien auf den ersten Blick unlogisch, einmal wegen Boomers Ruf als Raufbold, zum anderen in Anbetracht der Tatsache, dass Verlin umso strenger mit seiner Tochter umging, je älter sie wurde. Auf Buddys Rat hin hatte Verlin eine konservative Kleiderordnung für Ellen Cherry durchgesetzt. Er zensierte ihre Lektüre, überwachte ihren Fernsehkonsum, setzte Sperrstunden fest und verbot ihr, den leisesten Hauch von Make-up oder Parfüm zu benutzen. Bestimmt hätten Buddy und Verlin sich nicht träumen lassen, dass ihre Ellen Cherry jeden Freitagabend im Robert E. Lee Drive-in saß, das Höschen bis zu den Schienbeinen runtergeschoben, und sich zuckend auf einem von Boomers dicken Kugelstoßfingern wand. Oder?
Die Petways waren eine feine, alteingesessene Familie in Virginia. Es gab Richter und Gesetzgeber in ihrem Clan. Verlin und Buddy hatten mit Boomers Daddy so manche Kröte gestochen. Einen Jungen wie Boomer konnten sie verstehen. Picasso nicht.
«Auf der Kunsthochschule verschwendest du bloß deine Zeit und mein Geld», protestierte Verlin. «Das Ganze is völliger Schwachsinn. Bud sagt, Kunst is die Art des Teufels, Gottes Schöpfung zu bekritteln, und damit könnte er gar nich so falsch liegen. Warum gehst du nich auf ein anständiges College für christliche Frauen und wirst Lehrerin? Oder lernst Sekretärin? Irgendwas, auf das du zurückgreifen kannst. Das dir Sicherheit gibt. Heiratest jemand, der für dich sorgen kann –»
«Wie den guten Boomer zum Beispiel?»
«Eine Frau braucht nun mal ’nen starken, tüchtigen Mann. Willst du etwa mit einem von diesen Waschlappen enden, die in rattenverseuchten Dachstübchen hocken und rumspintisieren?»
Ellen Cherry lächelte. Sie dachte an die Nagetiere, die sich zwischen den Wagen mit beschlagenen Fensterscheiben im Robert E. Lee um Popcornreste balgten.
Es war nur Patsys militanter Unterstützung zu verdanken, dass Ellen Cherry die Erlaubnis bekam, sich an der Virginia Commonwealth University von Richmond einzuschreiben, die über einen der besten Fachbereiche für Kunst im ganzen Land verfügte. Sie war glücklich und erfolgreich auf der VCU
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