Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten
kannst.«
Mein Schlaf war tief und glückselig. Einmal wachte ich nachts auf und war überrascht, dass mich Karenza in ein rundes weiches Katzenbett gelegt und mich mit in ihr Schlafzimmer genommen hatte. Sie war noch wach und hatte ihre Hand auf meinen Rücken gelegt. Ich war so dünn, dass ihre Finger beim Streicheln direkt auf meinen Knochen entlangzugleiten schienen. Sie sprach sanft mit mir. Sterne rieselten aus ihrer Hand. Heilende Sterne. Ich begann zu schnurren. Das rhythmische Schnurren und die Sterne vereinten sich im Dunkel der Nacht.
Karenza war eine Katzenheilerin. Sie lebte allein in ihrem Häuschen. Ihre ganze Liebe galt ihren Katzen. Ich war so glücklich, dass ich mich für meine Wut schämte – und für die Art, wie ich meinen Engel behandelt hatte. Aber der Schmerz des Verlusts von Ellen und dann auch von Jessica war einfach überwältigend gewesen. Ich schauderte, und sofort war Karenza da, streichelte und besänftigte mich und sagte, ich solle weiterschlafen.
Am Morgen tauchte die Tierärztin Abby auf, um mich zu untersuchen. »Er kommt wieder in Ordnung«, sagte sie, nachdem sie mir eine Menge Spritzen verpasst und Karenza erklärt hatte, wogegen sie gut waren. »Etwas gegen Würmer, Flöhe, Räude, Katzengrippe und zum Schluss noch ein Schuss Vitamine. Halte ihn warm und getrennt von den anderen Katzen, bis er kräftiger ist. Gib ihm wenig und dafür häufiger zu fressen.«
»Er bekommt jede Menge Streicheleinheiten«, sagte Karenza. »Und heute Nachmittag erwartet ihn eine Überraschung.«
Eine Überraschung? Ich dachte an eine Spielmaus, aber zum Spielen hatte ich noch gar keine Kraft. Ich wollte nur schlafen.
Karenza stellte mein neues weiches Bettchen neben das Feuer. Dort lag ich nun also und starrte in die goldenen Flammen. Ich suchte mir eine mit einem saphirblauen und orangefarbenen Rand aus, mit viel heißem Weiß in der Mitte. Durch diese Mitte ging ich ins Land des Lichts und traf Jessica, die sich die rosa Pfoten leckte. Sie sah wunderschön aus, einfach vollkommen, schien aber so weit weg, dass ich sie nicht erreichen konnte.
Mein Engel kam. »Du musst an Körper und Seele gesund werden, Salomon. Das wird ziemlich lange dauern, also hab Geduld. Leg dich wieder schlafen.«
Das machte ich dann auch und fühlte mich wie die wärmste Katze der Welt.
Am späten Nachmittag fiel die Wintersonne in goldenen Strahlen durch die Fenster. Ich hörte, wie draußen ein Auto vorfuhr. Dann hörte ich Schritte auf dem Weg.
»Pass auf, wer da kommt, Salomon.« Karenza zwinkerte mir zu, als sie an mir vorbeiging, um die Tür aufzumachen.
Sie öffnete sie, und da stand meine Ellen.
Wenn Katzen weinen könnten, hätte ich wohl vor Freude geweint. Ich erhob mich von meinem weichen Lager. Meine Beine fühlten sich schon stärker an. Mein Schwanz schoss von ganz allein in die Höhe, und ich sauste los, um Ellen zu begrüßen.
»Salomon«, hauchte sie und hob mich hoch. Ich leckte ihr die Tränen von den Wangen und schnurrte. »Mein liebes, liebes Katerchen. Du bist ja so dünn! Was hast du denn gemacht?«
Ich wollte es ihr so gern erzählen, aber selbst wenn ich hätte sprechen können, wäre es nicht gegangen. Es wäre zu schmerzhaft gewesen, von Jessicas Tod im kalten Wald zu berichten, vom alten Dachs, der mich nach Hause gebracht hatte, und vom Tagebuch einer verzweifelten Katze.
»Schau dir bloß sein Fell an«, sagte Ellen und streichelte mich.
»Die Tierärztin hat gesagt, das wächst wieder. Sie war vormittags da und hat ihm ein paar Spritzen gegeben. Sie meint, er kommt wieder völlig in Ordnung.«
»Vielen Dank, Karenza.«
Ellen umarmte Karenza mit einem Arm. Sie saß mit mir auf dem Schoß neben dem Feuer. Ich bemerkte, dass sie besser aussah. Ihre Wangen hatten Farbe, und sie trug einen sehr schönen, glänzenden Schal.
»Ich habe John bei Pam gelassen«, sagte sie. »Sie kommt später mit ihm vorbei.«
»Wie ist es euch in der Zwischenzeit ergangen?«, fragte Karenza.
»Ich bin mit John in eine billige Pension gezogen«, erklärte Ellen. »John findet es schrecklich dort. Aber ich war gerade bei Nick. Er sagte, wir können den Wohnwagen zurückhaben. Joe ist vor drei Wochen zu seinem Vater gezogen.«
»Wegen der Trinkerei?«, fragte Karenza.
»Ja. Sein Vater will, dass er eine Entziehungskur macht«, sagte Ellen. »Ich werde nicht zu ihm zurückgehen, Karenza, niemals. Selbstverständlich darf er John besuchen. Aber mir geht es ohne ihn besser, sogar in einer
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