Salomon – Ein Engel auf Samtpfoten
unser Haus gepfändet, wissen Sie, mitsamt allen Möbeln und meinem Klavier. Ich habe seit Jahren nicht mehr gespielt.«
»Würden Sie das den Kindern zuliebe denn in Erwägung ziehen?«, fragte Isaac.
Ellen war nicht in der Lage zu antworten. Als Kind hatte sie sich immer geweigert, wenn ihre Mutter von ihr verlangt hatte, dass sie etwas vorspielte.
Lange Zeit sagte keiner von beiden etwas. Mein Engel hatte gesagt, Ellen würde die Musik vermissen, die ihre Seele nährte. Ich wusste, dass Ellen Ja sagen musste. Doch sie tat es einfach nicht. Also antwortete ich an ihrer Stelle.
Ich sah Isaac an und miaute laut und zustimmend. Dann tätschelte ich Ellens Gesicht mit meiner Pfote und miaute sie ebenfalls an. Das machte ich so lange, bis sie lächelte und sagte: »Okay, ich will es versuchen.« Da schubberte ich meinen Kopf an ihrem und schnurrte.
»Vielleicht bringen Sie auch Salomon mit.« Isaac lächelte.
»Das könnte ich machen. Er kann sich ziemlich gut benehmen – und er mag Musik«, erklärte Ellen. »Vielleicht ist er gut für mein Selbstvertrauen. Er saß früher immer auf dem Klavier, wenn ich gespielt habe. Mozart liebte er.«
»Den Kindern würde das jedenfalls gefallen«, sagte Isaac. »Und John wäre richtig stolz auf Sie.«
»Ich muss aber üben. Und hier ist kein Platz für ein Klavier, selbst wenn ich mir eins leisten könnte. Ich bin alleinerziehend.«
Isaac sah sie ruhig an und neigte den Kopf ein wenig. Seine Augen wanderten durch den Wohnwagen. Sie sahen Jessicas Foto, eine Schale Orangen, ordentliche Bücherstapel, eine Legokiste, gemütliche Teppiche und Kissen.
»Sie haben ein hübsches kleines Zuhause«, sagte er ziemlich wehmütig. Seine Augen wanderten wieder zurück zu Ellen.
Auf einmal musste ich daran denken, wie ich Jessica zum ersten Mal getroffen hatte. Ich hatte mich auf Anhieb in ihre buttterblumengelben Augen verliebt. Und diese Liebe war geblieben. Für immer.
Isaac war ruhig und zuvorkommend. Ich hatte sein Geheimnis erkannt, bevor es ihm selbst bewusst wurde.
Isaac hatte sich in Ellen verliebt.
12
Ein Weihnachtswunder mit Folgen
Am Abend des Weihnachtskonzerts war ich die stolzeste Katze der Welt.
Nachdem ich wochenlang bewiesen hatte, wie gut ich mich in einem Zimmer voller Kinder benehmen konnte, durfte ich tatsächlich mitkommen. Pam sollte auf mich aufpassen. Sie saß in ihrem guten roten Mantel bequem in der ersten Reihe, ganz in der Nähe des Klaviers. Die Kinder waren an mich gewöhnt, wisperten aber aufgeregt, als Pam mich oben auf das Klavier setzte. Ich richtete mich auf und sah mich um.
»Bitte heißen Sie die Pianistin des heutigen Abends herzlich willkommen: Ellen King«, sagte der Direktor, und alle klatschten.
Ich platzte fast vor Stolz auf Ellen. Sie rauschte in ihrem schwarzen Samtmantel herein, ihr goldenes Haar schwang sanft auf ihrem Rücken hin und her. Sofort legte ich mich hin und sah ihr in die Augen, als sie sich ans Klavier setzte.
Sie begann hingebungsvoll Weihnachtslieder zu spielen. Alle hörten zu. Ellen sah mich an, und ich wusste, dass ich ihr half. Keiner außer mir wusste, wie nervös sie gewesen war. Die Musik half ihr auch. Sobald sie anfing zu spielen, war sie glücklich. Das Publikum und die Kinder standen auf. Sie sangen mit, und mir gefiel sehr, wie schön das klang. Ich beobachtete auch Isaac, der Ellen unverwandt anstarrte.
Die Kinder führten ein Krippenspiel auf. John spielte einen Hirten. Er hatte ein Geschirrtuch um den Kopf und einen Stecken aus der Hecke in der Hand.
Als die Aufführung vorüber war und das Klatschen ein Ende gefunden hatte, wurde mir erlaubt, auf die Bühne zu gehen. Ich stolzierte mit hoch erhobenem Schwanz hin und her. Alle Kinder wollten mich streicheln. Ich wollte zu den Plüschschafen, die John mit sich herumschleppte, und ihnen Nasenstüber geben. Dann interessierte ich mich für den Inhalt der Krippe, die alle ansahen, und so kletterte ich hinein und gab der Puppe, die dort lag, auch einen Nasenstüber. Alle lachten. Ich weiß gar nicht, was daran so lustig gewesen sein soll.
»Sehr gut, Salomon«, sagte der Direktor. Er lehnte am Klavier. Ich rannte hin und gab ihm auch einen Nasenstüber. Die Kinder konnten gar nicht mehr mit dem Lachen aufhören.
Ellens Augen glänzten, als sie wieder anfing zu spielen. Alle sangen fröhlich ein Lied über einen Früchtekuchen, das wohl komisch war.
»Puh«, sagte Pam, als wir in Ellens Auto nach Hause fuhren. »Das war der schönste Abend seit
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