Salon der Lüste - 3
hinauf, zwei Stufen auf einmal nehmend und deutlich schneller, als er es vor so vielen Leuten hätte tun sollen.
Ivy lief ihm nach, gefolgt von Fontaine und den anderen, und Saint legte noch mehr Tempo zu, wollte er doch unbedingt vor ihnen dort sein.
Die Mädchen hatten ihre Zimmer in einem Trakt des ersten Stockwerks, von dem aus eine ‘weitere Treppe in den zweiten führte, wo die übrigen Schlafzimmer lagen.
Diese Treppe rannte Saint jetzt hinauf und oben den Korridor entlang bis zur zweitletzten Tür rechts. Sie unterschied sich nicht von den anderen, dennoch bestand kein Zweifel, dass es hier sein musste.
Seine Hand zitterte leicht, als er den Türknauf packte und drehte. Als die Tür aufschwang, wehte ihm ein Schwall warmer, stickiger Luft entgegen, der seinen Mund und seine Nase mit dem feuchtschweren Geruch frischen Blutes füllte. So viel Blut.
Und so viel mehr.
Sie lag auf dem Bett, friedlich wie ein gefallener Engel in ihrem schwarzen Spitzenneglige, einen Seidenschal um ihren Hals gewickelt. Eigentlich sah sie gar nicht tot aus. Man sah ihr nicht an, dass der Mörder sie aufgeschlitzt hatte, und doch war genau das geschehen. Saint wusste, dass ihre Kehle unter dem blutgetränkten Schal durchschnitten war und dass unter dem blutigen Neglige ihr Schoß fehlen würde.
Er hätte hier sein müssen, um es zu verhindern. Dann hätte er das Monstrum fangen können.
Aber er war nicht hier gewesen. Hatte der Mörder gewartet, bis er sicher war, dass Saint nicht im Haus weilte?
Wie zur Hölle konnte er das wissen? Saint war nicht auf normalem Wege gegangen.
Der Mörder hätte also bei seiner Ankunft nach Saint fragen müssen. Oder eines der Mädchen hatte es von sich aus erzählt.
So oder so stand nun fest, dass der Täter sehr vertraut mit dem Haus war, denn offenbar hatte er keinerlei Misstrauen erregt, als er hier hinaufgegangen war.
Saint wagte nicht zu hoffen, dass irgendjemand den Mistkerl gesehen hatte. Dazu war er viel zu vorsichtig. Und er hielt Saint seine Arbeit direkt vor die Nase.
Der Blutgeruch übertönte alle anderen Düfte, die noch im Zimmer sein mochten, so dass Saint keine Fährte von dem Kerl blieb, der er folgen konnte.
Eilige Schritte näherten sich, und rasch trat Saint wieder auf den Korridor hinaus, wo er die Tür hinter sich schloss: gerade rechtzeitig, ehe die anderen - zumeist die Hausbewohnerinnen - bei ihm waren.
»Was ist geschehen?«, fragte Ivy atemlos und aschfahl. »Ist etwas mit Daisy?«
Saint sah sie an. »Ruf die Polizei! «, befahl er. Als Ivy sich an ihm vorbeidrängen wollte, hielt er sie zurück.
»Du gehst da nicht rein! «, machte er ihr klar und meinte es vollkommen ernst.
Notfalls würde er sie auch bewusstlos schlagen, sollte sie sich anders nicht bremsen lassen. Dann sah er zu Fontaine. »Sie auch nicht! «
Tränen stiegen Ivy in die strahlend grünen Augen. »Sag mir, dass sie nicht tot ist! «
Ihm war gleich, dass Fontaine hier war und sie überhaupt reichlich Publikum hatten.
Saint nahm sie in seine Arme und hielt sie fest. »Es tut mir so leid, Ivy.«
Ihr Schluchzen machte ihm das Herz schwer und nagte an seiner Seele. Das alles war seine Schuld. Irgendwie hatte der Mörder erfahren, dass er fort war. Er hatte gewusst, wann er zuschlagen musste. Und jetzt lachte er über Saints jämmerliches Versagen.
Er lachte sie alle aus.
Kapitel 9
Es war kurz nach ein Uhr nachts, als die Polizei schließlich zum Maison Rouge gerufen wurde. Vorher hatte Saint seine eigenen Männer an jedem Ausgang postiert, während er erste Ermittlungen anstellte.
Einige der anwesenden »Gentlemen« waren empört, wie gemeine Verbrecher behandelt zu werden, aber wenigstens versuchten sie nicht, sich heimlich davonzustehlen - was ihnen ohnehin nicht gelungen wäre. Zudem war es ihnen lieber, von Saint befragt und anschließend weggeschickt zu werden, als dass die Polizei sie hier vorfand und sie am nächsten Morgen ihre Namen in der Zeitung lesen mussten.
Als Erstes sah Saint sich das Zimmer genau an. Er schloss sich darin ein und durchsuchte alles so gründlich er konnte. Falls es hier Beweise gab, würde er sie eher entdecken als die Polizei. Leider war das Einzige, was er fand, ein schwacher Abdruck auf der Wange des toten Mädchens, unweit von ihrem Mund.
Er sah aus wie ein winziger Kelch. Dafür hatte Saint keine Erklärung. jedenfalls wusste er im Moment nichts damit anzufangen. Leider war der Abdruck alles, was er an Hinweisen besaß.
Neben dem Bett
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