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Salto mortale

Salto mortale

Titel: Salto mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Bosshart
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Türe war sperrangelweit
    offen, und er streckte den Kopf hinein. Da war
    das ganze Haus voll Volk und unten in einem
    runden Platz standen zwei Pferde und glänzten
    wie Spiegel, und das eine war weiß und von
    lauter Silber, das andere aber rot und von Gold.
    Wie die Rosse das Büblein sahen, wieherten sie
    untereinander und es klang wie ein lustiges La-
    chen. Und das silberne rief:
    „Fang mich geschwind!“
    Und das goldene:
    „Und mich, mein Kind!“
    Das Bübchen wollte sie fangen, sie aber fin-
    gen an im Kreis herum zu traben und zu galop-
    pieren, und es hinter ihnen her, bis ihm ganz
    schwindlig wurde und es hinfiel. Wie es so
    lag, hörte es das eine Roß herantänzeln, ja es
    spürte im Haar sein Schnaufen und vernahm,
    was es sprach:
    „Auf den Füßen geht’s nicht!
    Auf den Händen, du Wicht!“
    Da sprang der Bub wieder auf und ver-
    suchte auf den Händen zu gehen und gab nicht
    nach, bis die Hände taten, was sonst die Füße
    mußten. Und dann wackelte er den Rossen
    nach und merkte, daß sie jetzt nicht mehr tra-
    ben und galoppieren konnten. Je schneller er
    ging, um so langsamer trippelten sie. Und er
    lief und lief, bis er Schwielen an allen Fingern
    hatte und es so weit brachte, daß die Pferde
    nur noch schleichen konnten. Und endlich
    holte er das silberne ein. Und wie er es mit
    den Füßen berührte, stand es ganz still, senkte
    den Kopf, faßte ihn mit den Zähnen hinten am
    Kittelchen und hob ihn auf seinen glänzenden
    schneeweißen Rücken. Dann wieherte es lustig
    in das große Bretterhaus hinauf, und alles Volk
    fing an zu klatschen und zu rufen:
    „Scheu’ keine Müh’ und gönn’ dir nicht Ruh’,
    Dir laufen die Goldfüchse selber zu!“
    Das Bübchen aber rief „Hü!“ zu seinem
    Schimmel und ritt dem Haus und der Mutter zu,
    und der Goldfuchs trabte zur Seite und sagte:
    „Dir laufen die Gold — — — füchse — —
    sel — — ber — zu.“
    Die letzten Worte waren dem Knaben auf
    den Lippen langsam erstorben, er war einge-
    schlafen. Die Mutter deckte ihn zu und fragte
    Heinz: „Und dann?“
    „Es ist fertig, Müeti, sie waren nun ja reich!
    Denk dir ein goldenes Roß und ein silbernes!“
    „Ach, ja!“ sagte sie mutlos. „Woher wißt ihr
    diese Geschichten?“
    „Die hat uns Herr Häberle erzählt. Kennst du
    die nicht von den Goldfinken? Soll ich sie dir
    berichten?“ Er hätte der Mutter gerne gezeigt,
    daß er noch besser erzählen konnte als Franz,
    sie aber tat ihm den Gefallen nicht und hieß
    ihn schlafen.
    Mit einem schweren Seufzer und seltsam
    gemischten Gefühlen legte sich Frau Seline Zö-
    beli an jenem Abend in ihre Laken; die schwe-
    ren Gedanken gingen in schwere Träume über.
    Sie sah den Goldfuchs und den Silberschimmel
    in ihr Stübchen klappern, so schwer und wuch-
    tig, daß der Boden sich unter ihnen bog und
    hinunterzustürzen drohte, und die geängstigte
    Frau mit ihnen, denn sie konnte sich nicht rüh-
    ren. Die Rosse aber machten sich mit den Gold-
    und Silberzähnen über Franzens Azalienstock
    her und fraßen ihn auf …
    Als die Witwe am Morgen ihrem Zimmer-
    herrn den Kaffee brachte, war sie befangen. Er
    aber hatte sich seine Rolle bis ins kleinste zu-
    recht gemacht und saß wie ein geschlagenes
    Hündchen auf seinem Stuhl, er wagte nicht
    einmal, die Augen zu der Herrin aufzuschla-
    gen. Freilich in seinem „Guten Morgen, Frau
    Zöbeli“ lag sein ganzes unermeßliches Liebes-
    leid. Einen solchen todesnötlichen Gruß hatte
    die arme Frau noch nie gehört, sie schrak zu-
    sammen und das Kaffeegeschirr klirrte ängst-
    lich, als sie es auf den Tisch niederstellte.
    Befangen, wie sie gekommen, ging sie. Er
    sah ihr mit Wolfsblicken nach und klappte
    dann die Augen eine Minute lang fest zu, wäh-
    rend welcher Zeit er überlegte, ob er ihre Ver-
    legenheit zu seinen Gunsten oder Ungunsten
    deuten sollte. Er legte sie sich günstig aus und
    nahm dann wohlgemut sein Frühstück zu sich.
    Am Nachmittag, da die jungen Künstler ge-
    wohnt waren, ihre Übungen zu machen, zeigte
    sich der Lehrmeister einsilbig und traurig.
    „Ich mag heute nicht, Jungens!“
    „Nicht? Doch, du mußt!“ Sie durften seit ei-
    niger Zeit „du“ zu ihm sagen, freilich nur in
    Abwesenheit der Mutter, wie er denn überhaupt
    begonnen hatte, mit ihnen in manchen Dingen
    eine Art Geheimbündelei zu treiben, um sie
    nach und nach von der mütterlichen Schürze
    wegzuziehen.
    „Du mußt, du mußt!“ drängelten sie.
    „Nein, heute nicht und

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