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Salto mortale

Salto mortale

Titel: Salto mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Bosshart
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paßt! Ja, es war wohl gut, daß es
    zwischen ihnen nicht weiter kam! Sie schämte
    sich nun, ihm Gehör und auch ein Stück ihres
    Herzens geschenkt zu haben. Sie empfand vor
    sich selber jenen Ekel, der diejenigen befällt,
    die ihre Liebe an einen Unwürdigen gehängt
    haben.
    Aber sie sann auch an das andere, an den
    Wohlstand, der durch ihn in ihr Stübchen ge-
    flossen und an den sie sich so bald gewöhnt
    hatte. Nun waren ihre Glücksträume aus, nun
    hätte sie sich am liebsten neben ihren Wilhelm
    ins Grab gelegt. Oh, daß er nicht da war, wie
    wäre sie ihm um den Hals gefallen, um sich
    auszuweinen und auszuschluchzen und ihn
    um Verzeihung zu bitten.
    Heinz stand all die Zeit am Fenster und
    starrte auf das Gewirr der Dächer, nur um kei-
    nem Menschengesicht, keinem vorwurfsvollen
    Blicke zu begegnen.
    Den Kleinen allein hatte der Schlag nicht
    zermalmt. Wohl begriff er nun, daß mit seiner
    Hand auch seine Kunst gebrochen war, und er
    hätte bei dem Gedanken am liebsten geweint;
    aber wie er Mutter und Bruder so niederge-
    schlagen sah, suchte er sich heiter zu stellen,
    ging bald zum einen, bald zum andern und
    versuchte etwas Gutes zu sagen oder eine Lieb-
    kosung anzubringen. Seine Mühe war verloren,
    in dem früher so hellen Dachstübchen verwan-
    delte sich jedes frohe Wort in eine Klage, in
    einen Vorwurf, in einen Nadelstich, jede Ant-
    wort war ein Seufzer, ein Zusammenzucken,
    eine Träne oder ein ganzer Strom.
    Sobald die Sonne hinter die Dächer gesun-
    ken war, schickte die Mutter die Knaben in
    ihre Kammer, sie ertrug das Zusammenleben
    an diesem Abend nicht. Wortlos schlüpften die
    Brüder in ihr altes Bett. Als sie nebeneinander-
    lagen, schlang Heinz die Arme um den Hals
    des Kleinen und sagte in flehentlichem Tone:
    „Franzli, gelt, du bist mir nicht böse!“
    „Nein, nein, du bist ja nicht schuld!“
    „Doch, ich bin schuld, wenn ich nur fort
    könnte, weit, weit weg!“
    Franz schalt ihn wohlmeinend und zärtlich
    ob der Rede und fuhr ihm streichelnd mit der
    Hand durchs Haar, bis er selber unter der Wir-
    kung der gleichförmigen Bewegung entschlief.
    Heinz fand in seiner Beklemmung den
    Schlaf nicht. Er hörte die Mutter in der Stube
    nebenan auf und ab gehen, lange, endlos, mit
    gleichmäßigem schlarfendem Tritte. Endlich
    schob sie sich einen Stuhl zurecht, Heinz hörte
    ihn unter ihrem Gewichte knacken und glaubte
    sie zu sehen, wie sie, den Kopf auf den Tisch
    gesenkt, schluchzte und sich härmte. Das er-
    schütterte auch ihm die Brust und er hätte laut
    aufgeschrien, wäre nicht der schlafende Bruder
    in seinen Armen gewesen.
    Der Mond schien durch das Dachfenster-
    chen auf das Bett und streifte des Kleinen Ge-
    sicht, das im Schlafe ruhig dalag, lächelnd, wie
    es schien, als schwebte ein friedsamer Traum
    darüber.
    Es mochte Mitternacht sein, als Heinz die
    Türe leise gehen hörte. Ein Lichtschimmer
    drang herein und ein behutsamer Tritt nahte.
    Der Knabe schloß die Augen, um der Mutter
    sein Wachen nicht zu verraten, er fürchtete ge-
    scholten zu werden.
    Sie trat ans Bett heran, von der Seite her,
    wo Franz lag. Heinz sah zwischen den Wim-
    pern hindurch, daß sie sich über den Bruder
    neigte und ihn mit langen Blicken anschaute,
    mit jenen Blicken voll Zärtlichkeit und Teil-
    nahme und Liebe, nach denen er sich selber so
    sehr sehnte, weil darin für ihn alles, Leben und
    Vergebung gelegen hätte. Nun senkte sie das
    Gesicht tiefer, und dreimal vernahm er das Ge-
    räusch eines Kusses und dann einen schweren
    Seufzer und ein Flüstern der Lippen wie ein
    kurzes Gebet.
    Sie richtete sich wieder empor, warf Heinz,
    wie ihn dünkte, einen raschen Blick zu und
    entfernte sich dann. Er hatte erwartet, sie
    werde nun auch zu ihm treten, sich ebenfalls
    über ihn neigen, und er hätte dann die Arme
    gereckt, sie ihr um den Hals geschlungen und
    so Vergebung erbettelt; aber sie strebte gera-
    denwegs zur Türe zurück. Da hielt er es nicht
    mehr aus. Er stürzte aus dem Bette und ihr zu
    Füßen, umklammerte ihr die Knie mit der gan-
    zen Kraft und Inbrunst seiner Arme und seiner
    Brust und flehte: „Sei mir nicht böse, Müeti!
    Sei mir nicht böse, Franz ist es ja auch nicht!
    Ich halte es nicht mehr aus!“
    Sie sah hart auf ihn herab, sie hatte den
    ganzen Abend nicht an ihn zu denken ver-
    mocht, und drängte sein Bild sich ihr doch aus,
    so füllte sich ihre Brust immer mit bitterem
    Zorn.
    „Geh ins Bett und schlafe!“ fuhr sie ihn un-
    wirsch an.
    „Sag

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