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Salto mortale

Salto mortale

Titel: Salto mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Bosshart
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mehrmals übel hin-
    gefallen, wenn ihn der allezeit wachsame Mei-
    ster nicht aufgefangen hätte. So wurden ihm
    diese Waghalsigkeiten strenge verboten, und
    er mußte sich dazu bequemen, daß Franzli das,
    was er am Stuhl, an der Bank, am Tische geübt,
    an ihm vollführte. Wohl tat Meister Valentin
    alles, um Heinz zu verhüllen, daß er zum Ge-
    rät hinabgesunken war, zuweilen überkam ihn
    doch das Gefühl davon, und er war dann recht
    unglücklich und versprach sich: „Einen Salto
    mortale wirst auch du einmal machen!“
    Zu jener Zeit weilte ein Zirkus in der Stadt,
    und als Frau Zöbeli einst zu einer Bestattung in
    ihr Heimatdorf hatte gehen müssen, hieß Herr
    Häberle seine Zöglinge die Sonntagshosen an-
    ziehen und führte sie in die seltsame runde
    Bretterbude. Das war ein Ereignis. Heinz saß
    regungslos da und verschlang mit aufgerissenen
    Augen und mit einem Gefühl der Beklemmung
    all die märchenhaften Erscheinungen; denn er
    verglich seine eigene Kunst damit, während
    Franzli jedesmal vor Lust aufschrie, wenn eine
    Reiterin, auf glänzendem Pferde stehend, her-
    ein- und im Kreis herumsprengte, immer in ge-
    fälliger Bewegung, und durch Ringe flog, um
    gleich wieder auf dem Rücken des trabenden
    Tieres zu tänzeln; oder wenn Männer ähnliche
    Stücke ausführten, wie er selber sie lernte, nur
    viel schwerere; oder seltsame Menschenwesen
    mit aufgeblasenen Hosen, lustigen Spitzmüt-
    zen und verschmierten Gesichtern ihre Purzel-
    bäume schlugen und allerhand Schnurren und
    Schnickschnack zum besten gaben.
    Und all die Zeit spielte die Musik lustige Wei-
    sen, und nach jedem Meisterstück und -sprung
    erbrauste das ganze Bretterhaus von Bravo-
    rufen, Händeklatschen und Fußgetrampel.
    Als man in das Haus zum ‚Sack‘ zurückge-
    kehrt war, versuchte Franz gleich, die tollen
    Dinge, die er geschaut, nachzumachen; Heinz
    dagegen, innerlich unruhig und fast unglück-
    lich, setzte sich schweigsam in eine Ecke. Mei-
    ster Valentin sah in ihn hinein und fuhr ihm
    väterlich mit der Katzenhand durch das Haar.
    Da stotterte der Junge seinen Kummer hervor:
    „Muß man so viel können?“
    „Ei freilich, und das werdet ihr noch lernen,
    wenn ihr tut, wie ich euch heiße, und dann
    wird man auch euch ‚Bravo‘ zurufen und für
    euch die Hände ineinanderschlagen.“
    Heinz schüttelte ungläubig und mutlos den
    Kopf; Franz dagegen schlug einen Purzelbaum,
    klatschte sich selber Beifall und lachte mit dem
    ganzen quecksilbernen Leib.
    Da wies Häberle mit sprechendem Finger
    auf ihn; der Ältere verstand die Sprache und
    warf ebenfalls die Füße in die Lüfte.
    „So ist’s recht, Jungens! Wißt ihr, warum ich
    euch in die große Bretterbude geführt habe?
    Denkt euch, ihr wäret unten in dem runden
    Platz, und das ganze Haus mit Menschen ge-
    füllt, Musik spiele auf und man schreie euch zu
    und überschütte euch mit Blumensträußen …“
    Heinz fieberte bei dem Gedanken, Franz je-
    doch kletterte an ihm empor, stellte sich ihm
    auf die Schultern und bog sich zurück, um
    kopfüber auf den Boden zu setzen.
    In diesem Augenblick ging die Türe auf.
    Die Mutter stand auf der Schwelle. Sie stieß
    bei dem Anblick, der sich ihr bot, einen Schrei
    aus, Heinz schrak zusammen, und Franz wäre
    zu einem bösen Fall gekommen, hätte ihn Herr
    Häberle nicht mit flinken Händen aufgefangen.
    Franz lächelte der Mutter entgegen, als ob
    nichts wäre, sie aber bebte an allen Gliedern
    und schrie ihrem Zimmerherrn zu: „Das ist
    Gott versucht!“ und dabei umfaßte sie ihren
    Jüngsten mit Armen, die es zornig und lieb-
    reich zugleich meinten.
    Die Kinder wurden in ihre Schlafkammer
    geschickt, und Frau Zöbeli stellte nun ihren
    Lehrmeister zur Rede: Es sei genug des tollen
    Zeugs; sie sei die Mutter der Knaben und trage
    die Verantwortung für sie vor Gott und dem
    toten Vater; wem würde man Vorwürfe machen
    und wen mit bösen Blicken ansehen, wenn ei-
    ner fiele und sich einen Arm, oder ein Bein oder
    gar das Genick bräche? Sie würde so etwas
    nicht verwinden, sie würde ein Loch ins Was-
    ser machen! Die Buben seien jetzt groß genug,
    um sich selber die Zeit zu kürzen, drum müsse
    die frevelhafte Gaukelei ein Ende nehmen.
    Valentin Häberle ließ sie ihren Wortschatz
    ausschütten, dann sagte er ruhig:
    „Ist den Knaben je etwas geschehen? Haben
    sie etwas Schlimmeres abgekriegt, als etwa
    eine Beule? Verlassen Sie sich auf mich, meine
    werte Frau Zöbeli. Solange ich die Buben

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