SALVA (Sturmflut) (German Edition)
ich wusste das.
Er wollte mich leiden sehen, doch mich eigenhändig zu quälen, würde mir die
Chance geben, mich vielleicht zu wehren. Auf diese Weise musste er sich nicht
mal die Finger an mir schmutzig machen.
„Ich habe ein bisschen nachgeforscht
und es stellte sich heraus, dass dein lieber Vater auch genau in dieser Stadt
starb. Was sagt man dazu? Es ist fast wie eine nette Familientradition. Nur
leider endet sie heute.“ Jeder Muskel in meinem Körper spannte sich und ich
ballte die Hände zu Fäusten. Wie konnte ich nur annehmen, körperliche Qualen
wären ihm genug. Er wollte mich brechen und er kannte sogar meinen größten
Schwachpunkt.
„Wenn es vorbei ist, grüß bitte meinen
guten Freund Ihsan schön von mir. Der einfältige Trottel. Einer von seiner
Sorte ist sowieso kein überlebensfähiges Material.“ Mein ganzer Körper zitterte
schon vor Zorn, als er über Ihsan lachte. Er sprach von meinem toten Freund,
als wäre sein Leben nichts wert gewesen. In diesem Moment war Branko kein
Mensch mehr für mich. Der Regen wurde noch schwächer und hatte nun fast
aufgehört. Branko sah wieder auf seine Uhr.
„Gleich ist es soweit.“ Mein Körper
bebte immer noch vor Wut und ich wollte etwas tun, um ihn mit mir in den Tod zu
reißen, doch mir fiel nichts ein. Er würde weiter leben und noch mehr Menschen
das antun, was er Ihsan und mir angetan hatte.
„Übrigens habe ich jeden deiner
Schritte in dieser Stadt mitverfolgt. Ich kann nur sagen Bravo! Manchmal dachte
ich wirklich, ich bekäme nicht mehr die Chance dich zu erledigen, aber am Ende
hast du mich doch nie enttäuscht. Es war gut von mir geduldig mit dir zu sein.“
Er grinste über das ganze Gesicht, als wäre es nur sein Verdienst, dass ich bis
jetzt überlebt hatte. Es hörte auf zu regnen. „Eins noch: Selbstverständlich
weiß ich, wo deine Freunde sind und sobald wir hier fertig sind, sorge ich
dafür, dass auch sie dir in den Tod folgen.“ Mit diesen Worten fiel mein
Verstand ins Koma. Gry, Veit, Aljoscha... Ich zweifelte keine Sekunde daran,
dass er sich ganz einfach töten konnte, wenn er es wollte. Es war alles um
sonst gewesen. Sie würden sterben und es war meine Schuld. Ich hatte sie
verdammt.
„Nein...“ Mehr brachte mein Verstand
nicht fertig. Branko setzte seine Gasmaske auf und als wäre es ein lautloses
Signal gewesen, hörte ich es wieder metallisch klicken und dann das Geräusch
von ausströmendem Gas. Innerlich flehte ich meinen Vater um Vergebung an, für
alles, was ich getan hatte. Vielleicht war es nur fair. Ich hatte so viele
Menschen um ihr Leben betrogen. Das war nun der Ausgleich. Ich konnte das Gas
riechen und hielt reflexartig die Luft an, doch es würde meinen langsamen Tod
nur hinauszögern. Ich senkte den Blick und nahm die Beine einer weiteren Person
hinter Branko war. Die Geräusche der Schritte gingen im Zischen des Gases unter
und Branko bemerkte nichts. Ich wusste nicht, was das zu bedeuten hatte, doch
im nächsten Moment packte ihn eine Hand an der Schulter und sein ganzer Körper
zuckte zusammen. Erschrocken sah ich nach oben und erkannte die Spitze einer
Messerklinge, die aus seiner Brust ragte. Sie steckte genau in seinem Herzen.
Er ließ die Waffe fallen und sah mich durch seine Gasmaske mit weit
aufgerissenen Augen an, als hätte ich ihm das Messer durch den Rücken gejagt.
Sein Blick war unnatürlich. Angsterfüllt und fassungslos. Ich sah, wie die
Spitze der Klinge herum gedreht wurde und Branko zuckte noch einmal auf, bevor
sein gesamter Körper in sich zusammen sackte. Die Hand ließ ihn los, er
rutschte von der Klinge und fiel neben mir ins trübe Wasser. Der Mann mit dem
Messer trug eine Schutztruppenuniform und eine Gasmaske. Ich konnte sein
Gesicht nicht sehen. Das musste ich auch nicht. Ich erkannte ihn schon an
seiner Statur. Es war Radu. Ich konnte es nicht fassen. Ich traute meinen
eigenen Augen nicht. Mein Verstand musste mir einen Streich spielen. Meine
Augen fingen an zu tränen, als das Gas immer dichter wurde. Radu sank vor mir
auf die Knie und packte Brankos leblosen Körper. Er nahm seinen Arm und führte
ihn zu meinem Halsband. Ich hörte ein Klicken und es rutschte einfach von mir
ab und versank im Wasser. Dann drehte er ihn um und nahm ihm die Maske vom
Gesicht. Er riss mich zu sich und zog sie mir über das Gesicht. Ich traute mich
immer noch nicht zu atmen und schnappte erst nach Luft las
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