SALVA (Sturmflut) (German Edition)
einander zu reden. War er wütend auf mich, weil ich mich in diese
Situation gebracht hatte? Vermutlich sah er all seine Argumente bestätigt. Mein
Gerede von Widerstand und Kampf hatte mich hierher gebracht und mir mehrfach
fast das Leben gekostet.
„Es tut mir Leid.“ Ich hatte nicht das
Gefühl ihm für meine Taten eine Entschuldigung zu schulden, doch ich schuldete
ihm eine für das offensichtliche Leid, in das ich ihn gerade brachte. Trotz
allem sorgte er sich um mich und dieses Gefühl wäre mir gerade tausend
Entschuldigungen wert gewesen. Sein Blick wurde schlagartig wieder sanft und er
sah mich verwundert an.
„Was tut dir Leid?“ Er sprach ganz
leise und langsam. Es war seine tiefe, warme Stimme. Es tat so gut sie zu hören
und ich fühlte, wie meine Augen feucht wurden.
„Alles. Aber vor allem, dass ich
einfach gegangen bin. Dass ich mich dir nicht anvertraut habe. Ich glaubte, mit
allem im Recht zu sein und du warst die letzte Zeit so anders zu mir. Das hat
einfach wehgetan.“ Ich konnte nicht fassen, dass ich tatsächlich aussprach, was
ich damals empfunden hatte und irgendwie immer noch empfand. Wieso warf ich
diese Last auf ihn?
„Du musst dich dafür nicht
entschuldigen. Ich habe im Grunde nichts anderes getan. Schlimmer noch, ich
habe mich von dir distanziert. Aber ich hatte keine Ahnung, dass unser
Verhältnis... dir ebenso wichtig war wie mir.“
„Was?“ Ich hatte keine Ahnung, dass er
so empfand. Wie war ich zu ihm gewesen?
„Was du denkst ist nicht so leicht zu
durchschauen und noch weniger was du fühlst. Du hast oft von Widerstand
gesprochen und ich hatte Angst, du würdest meine Pläne nicht gut heißen. Mir
fiel einfach kein Weg ein es offen auszusprechen. Ich hatte Angst vor diesem
Gespräch. Ich hätte nie gedacht, dass alles so kommt. Als ich erfuhr, was du
getan hattest, war ich geschockt. Ich suchte den Kontakt zu diesem Branko und
als er mir sagte, man würde dich hierher bringen, fing ich an Pläne zu machen.“
„Was für Pläne? Was hat man dir
erzählt? Wieso bist du überhaupt bei den Schutztruppen?“ Meine Stimme
überschlug sich förmlich. „Bitte sag mir endlich, was los ist. Ich verstehe das
einfach nicht! Auf welcher Seite stehst du?!“ Eine einzelne Träne kämpfte sich
den Weg frei und rollte über meine Wange, ich wischte sie sofort weg, aber der
Anblick ließ Radus Lippen zu einem schmalen Schlitz werden.
„Ich bin auf deiner Seite! Ich war
immer auf deiner Seite. Ich gehöre zum STEA. Es ist eine
Untergrundgruppe, genau wie die von deinem Vater damals. Ich habe mich für die
Schutztruppen gemeldet, weil es keinen anderen Weg gibt, etwas gegen sie
auszurichten. Du kannst das System nicht von außen angreifen, es ist einfach
nicht möglich. Als man mich nach Kalemegdan geschickt hatte, hatte ich keine
Ahnung, dass du dort warst. Nach deiner Verhaftung habe ich versucht
herauszufinden, was mit dir geschehen würde. Ich habe diesen Branko Kularac
getroffen und er prahlte damit, dass er dich entlarvt und man dich nach Novi
geschickt hätte. Er erzählte mir, er würde dich im Auge behalten und ich bot
ihm meine Hilfe an.“ Er senkte den Blick.
„Du hast was? Du... du...“
„Ich wollte dich nur beschützen. Ich
hatte ja keine Ahnung wie die Dinge sich entwickeln würden. Ich hätte im Leben
nicht daran gedacht, dass Manyuk ein Spion von außerhalb ist. Branko hat euch
ans Messer geliefert und ich habe das Spielchen weiter mitgespielt. Er erzählte
mir, er wolle dich selbst töten und bei ihm zu bleiben, sah ich als die einzige
Möglichkeit dich noch zu retten.“
„Du hast zugelassen, dass man Aljoscha
und mich hierher bringt?“
„Ich hatte keine Wahl Milla! Branko hat
nichts davon geahnt, in welcher Verbindung wir zu einander stehen. Ich durfte
mich nicht verraten, sonst hätte er das vielleicht noch gegen dich benutzt.“
Diese Worte waren wie ein Stich in mein Herz, aber vor allem weckten sie mich
aus meinen Gedanken. Ich sah Radu, die Uniform, sein Schweigen und nahm
tatsächlich an, er hätte eine Mitschuld an meiner Lage gehabt. Das genaue
Gegenteil war der Fall. Er hatte versucht mir zu helfen und hatte damit sich selbst
und sogar seine Gruppe in Gefahr gebracht. Ich hatte mich über sich selbst
gestellt und sogar über den Kampf des
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