SALVA (Sturmflut) (German Edition)
ich den Atem nicht
mehr länger anhalten konnte. Im nächsten Moment drückte er mich an sich und
hielt mich einfach nur fest. Mein Verstand konnte noch immer nicht richtig
begreifen, was gerade um mich herum geschehen war. Es verging ein Moment, bevor
Radu mich wieder los ließ, aufstand und zu Brankos Fahrzeug hinüber ging.
Sofort überkam mich die Angst, er würde mich an Ort und Stelle zurück lassen.
Dass er nur gekommen war, um mich vor Branko zu retten und nun wieder gehen
würde. Zurück zu den Schutztruppen, bevor jemand merken würde, was er getan
hatte. Ich schrie in die Gasmaske, er solle mich nicht allein lassen, doch er
schien es nicht zu hören. Er stieg in das Fahrzeug und stellte den Scheinwerfer
ab. Dann nahm er etwas vom Beifahrersitz und kam zurück zu mir. Ich saß immer
noch im Wasser neben Brankos Leiche und rührte mich nicht. Radu zog mich nach
oben und drückte mich wieder an sich. Ich konnte hören, dass er etwas sagte,
ich verstand es jedoch nicht. Dann packte er meine Hand und lief los. Meine
Beine zitterten immer noch so heftig, dass ich ständig auf die Knie fiel. Nur Radus
fester Griff um meinen Oberarm verhinderte einen richtigen Sturz. Mein Blick
ruhte fest auf seinem Rücken, während wir durch die dunklen Straßen liefen. Er
war hier, er war tatsächlich hier und hatte mir das Leben gerettet. War das von
Anfang an sein Plan gewesen? Er konnte nicht wissen, dass ich hier landen
würde. Ich hatte es selbst nicht einmal gewusst. War das die Erklärung? War er
bei den Schutztruppen, weil er Branko töten wollte? Am Ende hatte das alles gar
nichts mit mir zu tun, sondern sein Plan überschnitt sich nur mit meiner
Rettung. Kannte er Branko schon bevor ich ihn kannte? Ich verstand das alles
einfach nicht. Für den Augenblick war ich nur glücklich, dass er hier war. Ich
hatte damit abgeschlossen, jeden Gedanken an ihn verdrängt und mich damit
abgefunden, ihn nie wieder zu sehen und nun war er hier. Er schien genau zu
wissen, wo wir hin mussten. Für einen Moment dachte ich daran ihn zu stoppen
und ihm zu sagen, dass wir zur Kirche gehen sollten, tat es dann aber doch
nicht. Vielleicht würde ich die anderen doch noch in Gefahr bringen, wenn wir
jetzt zu ihnen kämen. Ich hatte nicht verstanden, was Radu mir gesagt hatte. Es
konnte gut sein, dass die Gefahr noch nicht gebannt war. Es dauerte nicht lang,
da stand mir das Wasser schon bis zur Hüfte. Offensichtlich liefen wir tiefer
hinein in das überschwemmte Gebiet, mir war nur nicht klar wieso Radu uns
hierher brachte. Wir waren definitiv nicht mehr in der Altstadt und nur etwas
später stand mir das Wasser schon bis zur Brust und ich konnte die Strömung
spüren. Wir erreichten den Eingang eines Gebäudes und gingen hinein. Radu
peilte sofort die Treppen an und lief nach oben. Ich versuchte so gut es ging
Schritt zu halten, aber sein Tempo brachte mich bereits völlig außer Atem. Vor
uns schien immer noch eine weitere Treppe zu liegen, bis wir endlich ganz oben
angekommen waren. Ich stützte mich an der Wand ab und versuchte meine Atmung
wieder zu beruhigen. Die Maske verschlimmerte das Gefühl, gleich zu ersticken
noch zusätzlich. Ich wollte sie mir vom Gesicht reißen, wusste aber nicht ob es
sicher war. Ganz langsam ließ ich mich auf den Boden gleiten und setzte mich
hin. Radu kniete sich zu mir und nahm seine Maske ab, bevor er mir auch meine
vom Gesicht zog. Ich zögerte einen Moment und atmete dann ein paar Mal tief ein
und aus. Die Luft roch nach vermodertem Holz, aber nicht nach Gas. Langsam
beruhigte ich mich wieder, aber mein Blick blieb am Boden. Ich traute mich
einfach nicht Radu anzusehen. Er hatte die Maske abgenommen und mich überkam
die völlig idiotische Idee, ich würde auf sehen und er war es gar nicht,
sondern eine fremde Person. Ich hob ganz langsam den Kopf und er war es
wirklich. Sein Gesicht, genauso, wie ich es in Erinnerung hatte. Er sprach kein
Wort, sondern sah mich nur besorgt an. Auch ich wusste nicht, was ich sagen
sollte. Er streckte seine Hand aus und fuhr mit dem Zeigefinger über die Wunde
auf meiner Wange und meiner Stirn. Seine Gesichtszüge verzogen sich, als wenn
er die Schmerzen der Verletzung durch die bloße Berührung spüren konnte. Dann
sah er auf das Loch in meinem Ärmel und den sichtbaren Verband darunter, der
mittlerweile etwas rot geworden war. Sein Gesichtsausdruck wurde noch bitterer.
Er sah regelrecht wütend aus. Genauso wie damals, als wir das letzte Mal versucht
hatten, mit
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