Salvatore, R.A. - Todfeind2
wenigen, die von der großen »Flotte« der Kapelle Isle noch übrig waren.
»Jagen wir etwa Gespenstern hinterher?«, wagte einer der Männer zu fragen.
»Ich habe es gesehen, ich sag es Euch!«, beharrte Giavno. »Im Nebel dahintreibend.«
»Dahintreibend? Oder auf der Lauer liegend?«, fragte der Ruderer.
»Der Mast war unten«, sagte Giavno. »Er ist unten!«, rief er nun und deutete voraus in den wabernden grauen Dunst. Sie alle sahen jetzt das Boot, auf den Wellen tanzend, das Hauptsegel zerrissen und offensichtlich verlassen. »Ein Preis, den wir zur Kapelle Isle mitbringen.«
Er schaute zu den beiden anderen, und sein Grinsen reichte von Ohr zu Ohr. Pater De Guilbe und die restlichen Brüder wären mit dem heutigen Fang gewiss zufrieden, zumal die Mönche gezwungen waren, Männer von der Arbeit an der Kapelle abzuziehen, damit sie mehr Boote bauen konnten. Als er wieder nach vorne sah, verschwand sein Lächeln jedoch, denn während sie sich ihrem Fund näherten, konnte er über den Rand des Bootes blicken – und es war alles andere als verlassen.
Giavno versuchte den Ruderern zuzurufen, sie sollten sich schneller bewegen, aber alles, was aus seinem Mund drang, war ein Gurgeln. Er brachte immerhin ein Winken zustande, das sie antrieb. Nun brachten die Männer das Boot schnell heran.
Und dann rissen auch sie die Münder auf und stöhnten.
Drei alpinadoranische Stammesangehörige lagen auf dem Deck – einem blutgetränkten Deck. Ebenfalls mit Blut bedeckt, das meiste davon war offenkundig ihr eigenes, reagierten die drei nicht, als die Boote zusammenstießen, was Giavno und seine Gefährten zu der Annahme brachte, dass sie bereits tot waren.
»Sie müssen sich zu nah an die Eistrolle herangewagt haben«, stellte einer der Ruderer fest. »Wir sind nicht allzu weit vom Nordwestufer entfernt.« Er stand auf, während er redete, und streckte sich, um das andere Boot mit beiden Händen festzuhalten. Gleichzeitig hakte er die Füße ein und fungierte so als lebendiger Enterhaken. Der andere Ruderer half Giavno, rasch hinüberzuklettern.
»Er lebt«, stellte der ältere Bruder fest, als er sich über den nächsten Alpinadoraner beugte, einen blonden und kräftigen Riesen von einem Mann. Er griff nach seinem Beutel, holte einen Seelenstein daraus hervor und begann sofort, über dem Mann zu beten.
Ein zweiter Mönch kam ebenfalls herüber und schaute nach den beiden anderen Alpinadoranern. »Sie leben beide«, verkündete er schnell. »Hätten wir sie nicht gefunden, bestimmt nicht mehr lange. Und vielleicht müssen sie auch so bald sterben.«
Giavno verkürzte sein Heilungsritual bei dem jüngsten Mann und machte nacheinander bei den anderen weiter, indem er in jeden nur eine kleine Menge Heilungsenergie einfließen ließ, um ihn zu stärken und wenigstens die Blutung zu stoppen. Er brauchte seinen Gefährten keinerlei Anweisungen zu geben, während sie das steuerlos treibende alpinadoranische Boot an dem ihren festbanden und wieder zu rudern begannen. Sie setzten ihre ganze Kraft ein und schleppten Giavno und das geborgene Boot geradewegs zur Kapelle Isle zurück.
Der Klang von Stimmen holte Androosis nach und nach in die Welt der Lebenden zurück.
»Wir sind keine Tiere«, hörte er Toniquay irgendwo neben sich sagen – auf welcher Seite genau, das konnte er nicht feststellen.
»Noch halten wir euch dafür«, kam die Antwort mit dem Akzent eines Südländers, dessen Muttersprache ganz sicher nicht Errchuk, die vorherrschende Sprache in Alpinador, war.
Androosis vernahm ein Rasseln, vielleicht von Knochen, vielleicht auch von Ketten.
»Es gibt da einige praktische Erwägungen«, sagte der Südländer.
Androosis schlug die Augen auf. Es dauerte lange, bis sich der graue Schleier verzog und Licht in seinen schmerzenden Schädel hineinließ. Er sah vor sich einen Mönch stehen – natürlich, es musste ein Mönch sein. Er befand sich in einem kleinen Raum, einer Art Verlies, in dem es nach Qualm von Fackeln roch und das von tanzenden Flammen und Schatten an den Wänden erhellt wurde. Er lag auf der Seite, auf einem harten, feuchten Bett aus Erde, und eine Decke verhüllte ihn von der Hüfte bis zu den Füßen. Er versuchte sich auf den Rücken zu drehen, um den Mönch und Toniquay besser sehen zu können, aber die Bewegung jagte stechende Schmerzen durch seinen Körper, und er streckte sich wieder auf der Seite aus.
»Ich bin angekettet wie ein Hund«, beschwerte sich Toniquay.
»Es ist unsere
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