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Salve Papa

Salve Papa

Titel: Salve Papa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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nehmen, aber lassen Sie bitte die Eier und Crevetten weg« kann sie nicht meistern. Sie versuchte es trotzdem, und es klang wahrscheinlich furchtbar, aber die feinfühligen Kellner verstanden sie tatsächlich. Dafür mochte Nicole die Franzosen. Auch mein Sohn Sebastian mochte sie wegen des guten Essens, der ganzen Baguettes und Croissants. »Franzosen sind meine Freunde«, sagte er immer wieder. Meine Frau vergötterte Franzosen sowieso. »Sie sind so viel freier als die Deutschen«, meinte sie, »und sie haben nicht diesen Selbsthass, den die Deutschen pflegen.«
    In meinen Augen sahen alle Franzosen grotesk aus. Sie kleideten sich, als würden sie in einer endlosen Fernsehserie spielen, als wären sie alle dem gleichen Werbespot für irgendeinen Haarlack entsprungen. Besonders die Damen mit ihren hohen Hüten, Brillen wie Skifahrer, mit knallrotem Lippenstift bemalten Gesichtern, dazu Pelzmantel, Pantoffeln und ein kleines Hündchen, ein Kackdackel zum Ausführen. Die jüngeren Frauen waren ebenfalls überstylt, mit viel Kosmetik, aufwändig frisierten Haaren und Stiefeln, die ihnen fast bis über die Knie reichten.
    In Deutschland ticken Frauen anders. Die über fünfzig geben sich auf, sie brauchen kein Parfüm mehr und keine ausgefallenen Klamotten. Und die jüngeren glauben, man solle sie nicht für ihr Aussehen, sondern für ihre menschlichen Qualitäten lieben. Deswegen versuchen sie, sich so hässlich wie möglich zu kleiden, und klagen gern über Beziehungsprobleme. Franzosen können anscheinend viele Probleme mit Kosmetik lösen; man sieht viele ältere Paare, die einander auch nach vierzig Jahren noch nicht auf den Geist gehen.
    In den Kneipen hatten die Franzosen fast überall Speisekarten auf Russisch ausgelegt. Die reichen Ölrussen haben hier eine Zeit lang gerne Urlaub gemacht und wahrscheinlich nach russischer Art großzügig Trinkgelder verteilt. Jetzt kommen sie nicht mehr. Entweder sind sie von der Macht daheim eingeschüchtert oder ihre Ölquelle wurde verstaatlicht. Die Speisekarten sind aber geblieben. Die Kellner lebten geradezu auf, als sie uns Russisch sprechen hörten. »Russland?«, freuten sie sich und wollten uns unbedingt die Speisekarte auf Russisch vorlegen.
    »Wir sind Russen aus Deutschland, aus Berlin«, erklärten wir und forderten spaßeshalber eine Speisekarte auf Deutsch. Doch auf Deutsch hatten die Franzosen nie was.
     

Auf nach Venedig
    Schon im Vorfeld unserer Reise haben sich etliche Verwandte bemüht, uns die Idee auszureden. Sie alle waren schon einmal in Venedig gewesen und brandmarkten den Ort als die größte Touristenfalle und Urheimat der Abzocker.
    »Fünf Jahrhunderte lang haben die Italiener dort gebaut, jetzt wollen sie mindestens zehn Jahrhunderte abkassieren«, meinte mein Vater bitter.
    Er selbst kam nie zum Abkassieren. Er hatte sein Leben lang in einem Betrieb gearbeitet, der ausklappbare Pontonbrücken produzierte. Man konnte diese Brücken von LKWs aus über einen Fluss jeder Breite und an jeder beliebigen Stelle schnell und unkompliziert aus- und einrollen. Der Betrieb wurde allerdings nach dem Fall des Sozialismus sehr schnell abgewickelt und mein Vater vorzeitig in Rente geschickt. Dabei waren doch gerade diese Brücken für Venedig wie geschaffen. Sie hätten der Stadt ein neues, moderneres Image verpasst. Aber das konservative italienische Kapital lehnte ein neues Image mit sowjetischen Brücken ab, und deswegen kann mein Vater Venedig nicht gut leiden.
    Meine Tante Bella erzählte, wie sie einmal neben dem venezianischen Fischmarkt in einem Boot beinahe untergegangen wäre. Sie hatte sich in eine preiswerte Sammelgondel gesetzt, weil die schickeren Gondeln mit Samtkissen und Blumen hundertfünfzig Euro für eine Fahrt verlangten oder achtzig Euro für zwanzig Minuten als Sonderangebot. Meine Tante, eine arme Rentnerin, hatte sich für die preiswertere Variante entschieden. Die Sammelgondel war bereits übervoll, als sie einstieg. Die Touristen lagen aufeinander wie »Heringe auf venezianische Art«, aber der geizige Gondoliere wollte noch mehr Leute einladen. Eine mollige Australierin mit einem großen Säugling auf dem Arm setzte sich immer wieder auf Tante Bellas Knie. Die Australierin war von ihrem Europatrip so mitgenommen, dass sie meiner Tante die Brille kaputtmachte, und der Säugling übergab sich vor Begeisterung zweimal auf ihren Mantel.
    »Mein Gondoliere war ein lustiger Typ, obwohl auch ziemlich asozial«, erinnerte sich meine

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