Salve Papa
die Figuren auf dem Schachbrett hochsprangen.
»Männer sind so doof«, meinte meine Tochter. »Ständig wollen sie miteinander konkurrieren. Ich frage mich im Ernst, können Männer Freunde sein?«
Für eine Elfjährige ganz schön clever, dachte ich, sagte aber: »Nein, Liebling, Männer können keine richtigen Freunde sein. Selbst die besten Freunde müssen sich ständig aneinander messen, in allem, was sie haben und tun. Bewusst, unbewusst, unterbewusst. Und auch wenn sie so tun, als wäre ihnen alles scheißegal, messen sie sich trotzdem – in ihrer Gleichgültigkeit. Männer sind so.«
Während meine Tochter die Männer im Park beobachtete, richtete sich mein Blick auf die Frauen. Die weiblichen Parkbesucher wirkten ruhig und entspannt. Sie saßen oder lagen im Gras mit einem Buch oder einem Magazin vor der Nase und mit dem Hintern zur Sonne. Sie wirkten locker, doch in Wirklichkeit maßen auch sie sich aneinander, nicht weniger als die Männer, sogar mehr. Mit ihren Kleidern, ihren Höschen, Sonnenbrillen, ihrem Haar, ihren Beinen, ihren Posen und Mösen, mit allem, was sie hatten, maßen sie sich aneinander und an der Welt. Nur anders als die Männer taten sie es indirekt, ohne einander mit dem Federball zu erschlagen. Sie würdigten einander keines Blickes, trotzdem wussten sie ganz genau, wer auf dieser speziellen Wiese in diesem speziellen Park am schärfsten wirkte.
In unserem Park war es ohne Zweifel die Eisverkäuferin in der Imbissbude neben dem Wasserfall. Jedes Mal, wenn sie sich in ihrem Minirock nach vorne beugte, um die Plastikbecher von den drei Tischen abzuräumen, fiel der Federball ins Gras, der Frisbee-Spieler bekam die Scheibe an den Kopf, und gleich mehrere Rentner entschieden sich für einen verhängnisvollen Zug. Die Verkäuferin wusste von ihrer Wirkung und ging öfter abräumen, als es die Gaststättenordnung vorsah. Nur die ganz jungen präpubertären Fußballer liefen selbstvergessen weiter dem Ball hinterher.
Angesichts dieser Situation kam mir ein Gedicht in den Sinn, das ein alter Freund von mir verfasst hatte. Es ging darin auch um die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb einer Erholungsanlage:
Die Mädels stritten in einer Bar,
Wer hat im Schritt das lockigere Haar.
Schnell wurde klar, das lockigste Haar
Hatte noch immer die Chefin der Bar.
Viele Jahre sind seitdem vergangen, die Bar ist längst planiert und die Mädels wahrscheinlich Omas geworden. Die Problematik ist aber im Großen und Ganzen auch heute noch aktuell, wenn auch in ihr Gegenteil gekippt. Heute sind die Glattrasierten am schicksten, ist der- und vor allem diejenige am schicksten, die sich am saubersten die Scham rasiert hat und auch sonst überall glatt rasiert ist.
Einladungen
Als Figur des öffentlichen Lebens werde ich oft und überallhin eingeladen. Es bedurfte eines zweiten Briefkastens in unserem Treppenhaus, um alle Einladungen entgegenzunehmen, die an unsere Adresse gesendet werden. Die Nachbarn schauen mich schräg an, wenn ich meine Post nach oben trage. Sie halten mich für einen Spaßvogel. Doch was soll man in dieser Stadt noch tun, außer ausgehen? Berlin ist kein Ort der Produktion, sondern der Präsentation. Es präsentiert in erster Linie sich selbst, dann die deutsche Wiedervereinigung, die Rolle Deutschlands in der EU, die wachsende Kraft der hiesigen Wirtschaft und die kreative »Berliner Kunstszene«, in der sich Ost und West gegenseitig grüßen. Diese einst von der Außenwelt abgeschnittene, beinahe geschlossene Stadt wurde nicht umsonst zum Maskottchen des neuen weltoffenen Deutschlands gewählt. Und eine Menge Leute müssen sich hier seit Jahren ihres Jobs wegen ausschließlich von Cocktails und Häppchen ernähren. Als Berliner Repräsentanten haben sie für ein anständiges Essen keine Zeit, sie springen die ganze Zeit von Party zu Party, von Empfang zu Empfang.
Zu den Berliner Partys werden natürlich keine echten Berliner eingeladen, die sind nicht glamourös genug und oft sogar ziemlich hinterwäldlerisch. Die echten Berliner können nicht fein in die Kameras lächeln, viele Männer tragen Ringe in der Nase, die Frauen haben ein Arschgeweih und stellen es auch noch öffentlich zur Schau. Die echten Berliner trifft man nicht auf den Cocktailpartys am Potsdamer Platz, sie stehen lieber irgendwo unter der U-Bahn-Brücke mit einer Currywurst hinter der Backe.
Zu den schicken Empfängen wird die sogenannte Prominenz eingeladen. Das sind Profis, in erster Linie
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