Salz der Hoffnung
heim.«
»Und wo genau er sich aufhielt, wissen Sie nicht?«
»Nein. An Bord seines Schiffes vermutlich. Es ist die Aeolus. Sie glauben doch wohl nicht, daß er irgend etwas mit dieser Sache zu tun hat?«
Cranston lächelte grimmig. »Captain Jorgensen war zur fraglichen Zeit weit weg von hier, das haben wir bereits festgestellt. Ich denke, wir brauchen Sie nicht länger zu behelligen. Nur eine Frage noch, aus reiner Neugier: Sind die beiden Damen Amerikanerinnen?«
»Ja, aus Boston«, sagte Edwina.
»Ich dachte es mir.« Er nickte ihnen zu. »Ihr Akzent ist einfach entzückend, nicht wahr, Mr. Spencer?«
»In der Tat, ja.« Jetzt, da das Verhör beendet war, wagte Cameron es wieder, sich ihnen zuzuwenden.
»Wir werden Sie jetzt verlassen«, sagte Cranston. Regal erhob sich gewohnheitsgemäß und begleitete sie in die Halle hinaus.
»Hübsche Rosen«, bemerkte Cranston. »Ich liebe Rosen. Wo haben Sie denn diese Prachtexemplare her?«
Jacob! Regal fiel wieder ein, daß Jacob hiergewesen war.
Hatte er den Streit zwischen ihr und Charles mit angehört? Irgend etwas warnte sie, drängte sie vorsichtig zu sein. »Vom Markt«, log sie. »Es gibt wundervolle frische Rosen auf dem Markt, wir bekommen sie immer von dort.«
Jorge war in See gestochen! Sie konnte es nicht fassen.
Sie war bis tief in die Nacht aufgeblieben und hatte auf ihn gewartet, um ihm von den schrecklichen Erlebnissen dieses Tages zu erzählen, daß der Sheriff sie aufgesucht und ihr vor Edwina und Cameron scheußliche, mißtrauische Fragen gestellt hatte. Das Haus war geradezu unheimlich still. Charles’ Tod hatte diffuse Ängste in ihr heraufbeschworen. Schatten krochen durchs Zimmer und sammelten sich in den Ecken, das Knacken der Scheite klang wie Schritte in den verlassenen Räumen. Regal hatte das Haus niemals mehr gehaßt als heute.
Schließlich war sie vor Erschöpfung eingeschlafen, lag vollständig bekleidet auf ihrem Bett, bis das Rattern der Karren auf der Straße sie bei Tagesanbruch weckte. Sie trat ans Fenster und sah eine Brigade finster dreinblickender Soldaten die Euston Road entlangmarschieren. Ihre Stiefel dröhnten wie Trommelschläge durch die Morgenstille.
Warum war er nicht nach Hause gekommen? War er etwa verhaftet worden? Natürlich nicht. Der Sheriff hatte gesagt, er habe bereits mit Jorge gesprochen. Manchmal übernachtete Jorge an Bord, aber doch sicher nicht letzte Nacht. Er wußte schließlich, was passiert war. Er hätte nach Hause kommen müssen. Er mußte doch wissen, wie besorgt sie sein würde. Was ging da unten am Hafen vor? Sie eilte in die Küche hinab. Die Köchin hatte das Feuer bereits aufgeschürt, und Bonnie saß im Nachthemd am Tisch und strich Butter auf Brot.
»Zieh dich an«, befahl sie Bonnie. »Und ruf die Kutsche. Wir fahren aus.«
»Jetzt?«
»Muß ich dir denn alles zweimal sagen?« fuhr Regal sie an. »Jetzt. Auf der Stelle.«
Doch ihre drängende Eile war vergebens. Die Aeolus war ausgelaufen. In den Lagerhäusern arbeiteten Männer, überall um sie herum war Leben, während sie wie betäubt in ihrer Kutsche saß und sich verlassen fühlte. Gerade jetzt, da sie ihn am dringendsten brauchte. Ein scharfer Wind heulte, packte die Kutsche und rüttelte sie, und die Pferde stampften nervös. Doch Regal rührte sich immer noch nicht. Sie konnte sich nicht entschließen, sich von diesem Ort zu entfernen. Vielleicht war es ja nur ein Mißverständnis, die Aeolus an einen anderen Kai verlegt worden. Er würde niemals einfach so verschwinden. Nicht Jorge.
Schließlich brach Bonnie das Schweigen. »Sollen wir nicht nach Hause fahren, Madam?«
Regal nickte. Nach Hause. Wo war das? Dieses scheußliche, leere Haus?
Zwei Tage vergingen. Niemand kam. Cameron Spencer war so pikiert über den Sheriff und seine Fragen gewesen, daß Regal schwante, es würde einige Zeit vergehen, ehe sie wieder von den Spencers hörte. Ein Mord … was für ein Skandal! Zuviel für Cameron. Regal war es gleich, sie wollte niemanden sehen. Nicht einmal Maria Collins, die sich zum Glück irgendwo auf dem Lande aufhielt. Regal war zu erschüttert, zu gedemütigt, um mit
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