Salz der Hoffnung
herein.
»Soll ich jemanden schicken, der es dem Captain sagt?« fragte Bonnie.
»Nein! Herrgott noch mal, beweg dich endlich. Oder hast du da Wurzeln geschlagen?«
Das Wohnzimmer war ein kleiner, feuchter Raum. Selbst mit weit geöffneten Vorhängen war er nie richtig hell, und die hohe Mauer, die das Haus umgab, versperrte jede Aussicht. Regal zündete beide Lampen an, sank dann in einen Sessel und wartete auf Edwina. Sie brauchte jetzt jemanden, mit dem sie reden konnte. Vielleicht würde Cameron ja mitkommen und könnte herausfinden, was wirklich geschehen war. Wenn es sich tatsächlich als wahr erweisen sollte, hätten alle ihre Nöte ein Ende, könnte sie Charles’ Drohungen getrost vergessen. Warum war sie dann so nervös und beunruhigt? Vermutlich war es der Schock; sie konnte einfach nicht glauben, daß Charles tot war. Er schien ihr plötzlich näher als je zuvor, als sei er hier im Zimmer und mache sie für seinen gewaltsamen Tod und das Scheitern seiner Pläne verantwortlich. Beinah konnte sie ihn jammern und lamentieren hören – ein Geist, der nicht wußte, was er tun, wohin er gehen sollte, nachdem ihn der Tod so plötzlich ereilt hatte.
Holz lag im Kamin aufgestapelt, und sie überlegte, ob sie Feuer machen sollte. Aber das Kleid mit den weiten Röcken würde ihr dabei im Weg sein. Die Schornsteine im Haus mußten dringend gereinigt werden, Ruß rieselte aus jedem Kamin.
»Witwe«, sagte sie zu sich. »Ich bin jetzt eine Witwe. Die Witwe Howth.«
Seltsam … Witwen waren in ihrer Vorstellung immer alte Damen in Schwarz. Schwarz! Oh Gott! Wenn Charles tot war, sollte sie hier nicht in Rosa mit weißen Volants sitzen. Sie sollte lieber ein schwarzes, wenigstens ein dunkles Kleid anziehen. Jeder Besucher würde sie für gefühllos halten. Und dann fielen ihr die Knöpfe ein. Sie floh in die Küche auf der Suche nach der Köchin. Sie mußte ihr beim Umziehen behilflich sein, und zwar schnell.
Cameron und Edwina kamen unverzüglich – ausnahmsweise hatte Edwina einmal nicht getrödelt. Sie stürzte herein, nahm sich nicht die Zeit, den Umhang abzulegen, sondern schlang in einer Mischung aus Entsetzen und Neugierde die Arme um Regal und bestürmte sie mit Fragen. »Regal, Liebes! Wie grauenhaft! Ist es wirklich wahr? Wie fühlst du dich? Bestimmt ganz krank von diesem Schock. Bonnie sagte, ihr hättet die Nachricht nur von einem Diener, also sind wir am Woburn Place vorbeigefahren und es muß wahr sein, denn vor dem Haus war eine regelrechte Menschenansammlung und viele Kutschen. Ich wollte, daß Cameron hineingeht und sich erkundigt, aber er hat sich geweigert.«
»Ich konnte schlecht an die Tür klopfen und einen Haufen Fragen stellen. Sei vernünftig, Edwina«, fuhr er sie an. »Hast du nach Jorge geschickt?« fragte Edwina.
»Nein. Ich wollte ihn nicht beunruhigen … Außerdem, was könnte er schon tun?«
»Sehr klug unter diesen Umständen«, meinte Cameron. »Irgend jemand wird herkommen, um es dir offiziell mitzuteilen, und es wäre kaum angemessen, wenn dein … Mr. Jorgensen dann hier wäre.« Er hustete und griff nach seinem Taschentuch.
»Du bist sehr bleich, Regal«, sagte Edwina. »Du solltest etwas von der Medizin nehmen, die der Doktor dir gegen die Kopfschmerzen gegeben hat. Wirklich! Ich bin so erschüttert, ich könnte selber etwas davon gebrauchen.«
»Ich habe das Zeug weggeworfen«, erklärte Regal. »Bonnie wird uns Kaffee bringen. Denkst du, ich sollte zum Woburn Place hinüberfahren, Cameron?«
»Laß uns lieber noch ein Weilchen warten«, riet er. »Du bist in einer unglücklichen Position – einerseits die Witwe, andererseits die davongelaufene Ehefrau des Verstorbenen. Ich bin nicht sicher, welches Verhalten in einem solchen Fall angemessen wäre.« Er schob die Gardine beiseite. »Da sind zwei Männer am Tor. Ihr Damen bleibt hier, ich gehe hinaus und empfange sie.«
Als er den Raum verlassen hatte, flüsterte Edwina Regal zu: »Liebes, es ist vielleicht schrecklich, das zu sagen, aber es macht die Dinge für dich und Jorge doch wesentlich leichter. Was für ein Segen, daß Cameron daheim war und mit herkommen konnte. Ich meine, wer immer kommt, um dir die Nachricht zu bringen, sie würden dich anstarren und darauf lauern, wie du es
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