Salz der Hoffnung
beeindruckt. Der Artikel lobte Jorgensen als Pragmatiker, der Island voranbringen werde, der die Bedürfnisse der Bevölkerung stets über die seines Ego stellen würde. »Das ist ein vernünftiger Artikel, Regal. Ich muß eine Kopie auftreiben und sie David schicken.«
Regal hatte eine ähnliche Idee gehabt. Auch wenn sie hoffte, daß Leonard bereits auf dem Weg nach London war, wollte sie eine Kopie des Artikels an die Anwälte Rosonom und Kernicke schicken. Sie sollten erfahren, daß ihr Verlobter der König von Island war! Diese Neuigkeit würde sich in Boston wie ein Lauffeuer verbreiten.
Sie sah sich bereits am Ziel ihrer Träume. Regal Hayes, die einst von der feinen Bostoner Gesellschaft wie eine Aussätzige behandelt wurde, würde einen König heiraten! Das würde sie natürlich nicht in ihrem Brief schreiben. Sie brachte es einfach nicht fertig, zu Papier zu bringen, was doch offensichtlich war: wenn sie ihn heiratete, würde sie Königin sein. Das war einfach zuviel. Sie spielte mit dem Gedanken, ob er wohl auf einem Schloß lebte. Aber in der Nacht kamen die vertrauten Schatten zurückgekrochen, die Stimmen ihrer Feinde verlachten und verhöhnten sie, kleideten ihre tiefsten Ängste in Worte: ›Er ist fort!‹
›Du bist allein. Verlassen.‹
›Wie kommst du nur darauf, du könntest jemals Königin sein?‹
›Jetzt wird er nie mehr zurückkommen.‹
Die ganze Nacht gaben die Stimmen keine Ruhe, und Regal erwachte niedergeschlagen, am Rande der Verzweiflung.
Ausgerechnet dieser Major Reynolds hatte mehrfach die Unverschämtheit besessen, zu ihrem Haus zu kommen, doch Regal hatte der Dienerschaft aufgetragen, ihn abzuweisen. Dann erhielt sie einen Brief von ihm, in dem er erklärte, er wolle ihr doch nur behilflich sein, sie sei eine bezaubernde, geradezu hinreißende Dame, die dringend jemanden brauche, der ihr mit Rat und Tat zur Seite stehe.
Regal warf den Brief beiseite; ein wenig amüsierte es sie aber doch, daß Reynolds sich beinah anhörte wie ein Verehrer. Sie erwartete jetzt ungeduldig Leonards Ankunft in London, denn sie hatten viel zu besprechen. Ihre Investitionen umfaßten unter anderem verschiedene Immobilien in den Geschäftsmetropolen New York und Boston. Sie hatten sich geeinigt, lieber beim Grundstücks- und Immobiliengeschäft zu bleiben, statt sich an Bankbeteiligungen und anderen riskanten Unternehmungen zu versuchen, die jetzt überall in Amerika so beliebt waren. Leonard hatte vorgeschlagen, sich auch in London nach lohnenden Objekten umzusehen, wenn er herüberkam, aber das war ausgeschlossen. Jorge hatte gesagt, sie würden England verlassen, und jetzt war klar, was er gemeint hatte. Und er hatte gesagt, er werde kommen und sie holen, ganz gleich was geschähe. Im hellen Tageslicht gab es nie Zweifel, alles war so, wie es sein sollte.
Einige Wochen später, als die allgemeine Verwunderung abgeklungen, die Island-Affäre beinah vergessen war, liefen zwei von Jorges Schiffen in aller Stille im Hafen von London ein. Inzwischen interessierte dies jedoch niemanden mehr, die Zeitungen hatten von drängenderen Angelegenheiten zu berichten. Jorgensen war ein alter Hut. Vielleicht hätte es Tage gedauert, bis Regal die Nachricht erhielt, wäre Mrs. Phelps nicht an ihrer Tür erschienen, vollkommen hysterisch.
Samuel war mit einem der beiden Schiffe heimgekommen und vom Kai weg verhaftet worden. Man hatte ihn ins Newgate-Gefängnis gebracht.
»Mrs. Howth!« schrie sie. »Sie müssen etwas unternehmen! Daran ist nur dieser verrückte Jorgensen schuld. Mein Mann im Gefängnis, unser Kontor geschlossen – Samuel ist ruiniert! Gott allein weiß, wie es weitergehen soll. Ich habe kein Geld! Sollen wir etwa verhungern, während Sie hier in Saus und Braus leben?« Sie begann zu weinen und Regal zu beschimpfen. »Sie! Mrs. Goldsack! Sie sind an allem schuld! Sie haben ihn in unser Leben gebracht, und jetzt sitzt er da auf seinem Thron in Island, während mein Samuel in Newgate einsitzt! Und sie schwelgen hier im Luxus! Sie sind ein verdammtes Miststück, ja das sind Sie!«
Regal war einen Moment ganz verdattert über diesen unerwarteten Überfall. Dann faßte sie sich. »Setzen Sie sich und halten Sie den Mund, um Himmels willen. Mich anzuschreien bringt Sie nicht weiter, höchstens auf
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