Salz der Hoffnung
einen Weg gefunden.«
Mrs. Collins stimmte ihr zu. »Regal war absolut bei Verstand, als ich sie zuletzt gesehen habe. Zugegebenermaßen war ich selber in keiner guten Verfassung, doch sie hatte sich vollkommen unter Kontrolle. Und sie war entschlossen, Jorge freizubekommen, darum sind wir überzeugt, daß es ein Unfall war. Warum sollte sie sich selbst in eine so prekäre Lage bringen, wenn sie doch weiß, daß Jorge auf sie zählt? Das ergibt keinen Sinn.«
Sie redeten lange, schienen unwillig zu gehen, aber schließlich begleitete er sie zur Tür. »Ich werde eine Besuchserlaubnis erwirken, keine Bange. Dann werde ich vom Sheriff und vom Gericht in Erfahrung bringen, was genau sich abgespielt hat, oder besser gesagt, was sie glauben, das sich abgespielt hat.«
Wenigstens wußte er jetzt, daß man Regal nicht für Howths Tod verantwortlich machte, das war nur Straßenklatsch. Aber ansonsten sah es sehr düster aus.
Am späten Nachmittags suchte ihn noch eine Fremde auf, eine Miss Caroline Smythe, die von Edwina erfahren hatte, daß er in der Stadt war. Sie war Journalistin und war in Regals Haus gewesen, als der tödliche Schuß fiel. Leonard hielt sie für die beste Zeugin der Verteidigung, denn im Gegensatz zu den anderen beiden Frauen behauptete diese Smythe, daß Regal gar nicht gewußt habe, was sie tat. Völlig außer sich vor Sorge um Jorgensen sei sie gewesen. Wie betäubt, sie habe nicht einmal begriffen, daß der Major tot war. Miss Smythe war überzeugt, daß Regal einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte.
Leonard grübelte die ganze Nacht und ging seine spärlichen Notizen durch. Ein interessanter Aspekt war bei dem Gespräch mit Mrs. Collins und Mrs. Spencer herausgekommen. Regals Mutter hatte sich das Leben genommen. Das hatte er zuvor nicht gewußt, der alte Jasper hatte es mit Erfolg geheimgehalten. Er bezweifelte sogar, daß sein Vater es wußte. Diese Information konnte man nutzen, um eine familiäre Neigung zur Geisteskrankheit zu beweisen. Vielleicht hatte Regal sich selbst erschießen wollen, dieser Major hatte versucht, sie daran zu hindern, und so war es zu dem Unglück gekommen. Allerdings kannten die anderen beiden Damen Regal besser als diese Miss Smythe. Es war keine sehr glaubwürdige Theorie.
Trotzdem. Nachdem Leonard sie von allen Seiten betrachtet hatte, kam er zu der Überzeugung, daß sich eine plausible Verteidigung darauf aufbauen ließ. Er mußte noch einmal mit den beiden Damen reden und sie dazu bringen, ihre Darstellung zu revidieren und ihm zu helfen, Regal als eine Frau zu präsentieren, die mit ihren Sorgen und Nöten hoffnungslos überfordert war. Und was unbedingt verschwiegen werden mußte, war Regals Reichtum. Ihr Vermögen belief sich inzwischen nahezu auf eine Million englischer Pfund, doch wenn er um Mitgefühl für sie werben wollte, konnte diese Tatsache sich dabei als hinderlich erweisen.
Er versuchte, einen Brief an Judith zu schreiben und ihr von diesem furchtbaren Unglück zu erzählen, doch Tränen stiegen ihm in die Augen. Sie ließen seinen Blick verschwimmen, fielen auf den Bogen, und die Schrift zerfloß. Arme Regal. Geliebte Regal. Denn er liebte sie. Er hatte sie in der Schule selten zur Kenntnis genommen, sie war damals ein stilles, mitunter mürrisches Mädchen gewesen. Aber es war vorgekommen, daß Regal Hayes das ganze Klassenzimmer fasziniert hatte, wenn sie es sich plötzlich in den Kopf gesetzt hatte, dem Lehrer zu widersprechen. So etwas hatte es noch nicht gegeben. Alle lauschten sie hingerissen, wie gebannt. Und Regal, schon damals groß, ging hocherhobenen Hauptes, wenn sie aus dem Zimmer gewiesen wurde, und debattierte immer noch weiter.
Doch an dem Tag, als sie in die Kanzlei gekommen war, so wunderschön anzusehen in ihrem schwarzen Kleid, war er kaum in der Lage gewesen, die Augen von ihr zu wenden. Sie hatte ihn verunsichert, und er war sich wie ein Stümper vorgekommen, dabei hatte er sie doch beeindrucken wollen.
Es war anders als seine Liebe zu Judith. Ein Mann konnte eben zwei Frauen gleichzeitig lieben. Er fieberte ihren Briefen immer entgegen. Sie antwortete meistens umgehend auf seine Berichte und Anregungen, manchmal widersprach sie und machte Gegenvorschläge, denn sie kannte Boston ebensogut wie er. Er war einfach furchtbar stolz auf sie. Das war es. Sie war schön und klug zugleich.
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