Salz der Hoffnung
heißt sie Hayes«, belehrte ihn der Direktor.
»Wie auch immer. Kann ich sie sehen?«
»Ich weiß nicht recht. Mein Name ist Jack Vagg, ich bin der Verantwortliche hier, verstehen Sie, und ich habe keine Anweisung bekommen, Sie zu ihr zu lassen.«
Leonard deutete seine Worte vollkommen richtig und holte seine Brieftasche hervor. »Hier sind meine Papiere. Ich bin Mrs. Howths Rechtsvertreter, und in dieser Eigenschaft habe ich das Recht, sie zu besuchen.«
Vagg warf nur einen nachlässigen Blick auf die Dokumente, nahm sie nicht einmal in die Hand und grinste breit, als Leonard eine goldene Guinee darauflegte. »Sehr freundlich von Ihnen, Sir.« Er griff nach der Münze, als fürchte er, sie könne plötzlich verschwinden. »Ich werde Sie selbst hinunterbringen, zu Ihren Schutz, sozusagen. Manche der Wärter hier sind nicht besser als die Häftlinge. Für ein paar Pennies würden die Sie doch glatt ausrauben.«
Er schloß das Fenster und trat mit einem gefährlichen Totschläger in der Hand aus der Tür. Leonard folgte ihm einen finsteren Gang entlang und stellte fest, daß Vaggs verdreckte Kleidung bis hin zu den Stiefeln von guter Qualität war. Ihm kam der Gedanke, daß sie vermutlich einmal einem Gefangenen gehört hatte, und ihn schauderte.
Sie überquerten einen Innenhof, dann donnerte Vagg mit seinem Totschläger gegen ein Tor und trat dagegen. Leonard hörte das Schleifen schwerer Riegel, und als das Tor aufschwang, hüllte ihn mit einemmal ein fürchterlicher Gestank ein. Sie durchquerten einen Wachraum und traten durch ein weiteres Tor aus Eisenstäben, dessen rostige Scharniere vernehmlich quietschten und die Aufmerksamkeit der Gefangenen dahinter erregten, die sogleich anfingen zu schreien und zu kreischen, als sie den Besucher entdeckten. Weiter ging es einen langen, gewölbeartigen Gang hinunter. Zu beiden Seiten befanden sich Käfige, und darin hockten Frauen, die wie Hexen aussahen, Hunderte von ihnen. Leonard hatte nie zuvor solche Kreaturen gesehen.
Vagg ignorierte ihr Gezeter und Gekreische, weder ihre Sprache noch der unaussprechliche Zustand ihrer Käfige schien ihn im mindesten zu berühren. Leonard folgte ihm dicht auf den Fersen. »Dieser Ort ist entsetzlich!« rief er Vagg über den Tumult hinweg zu.
»Ja«, antwortete Vagg, als sie zum anderen Ende kamen.
»Aber das ist der kürzeste Weg zu den besseren Zellen.« Er stieg einige Stufen zu einer Veranda hinauf und deutete auf eine geöffnete Tür. »Das ist die Krankenstation«, erklärte er, als sie sie passierten.
Leonard riskierte einen kurzen Blick hinein und hätte sich um ein Haar übergeben. Er sah Frauen mit den verschiedenartigsten Leiden, die zusammengepfercht auf verdreckten Matratzen lagen. Fliegen umschwärmten sie und krochen auf den reglosen Leibern herum. Das Wimmern und Stöhnen war so jammervoll, daß Leonard seinen Führer am Arm packte. »Mr. Vagg, warten Sie einen Augenblick. Das ist ja grauenhaft. Sind Sie auch für die Krankenstation verantwortlich?«
Vagg starrte ihn finster an. »Wollen Sie diese Frau nun sehen oder nicht? Wenn Sie hergekommen sind, um sich in unsere Angelegenheiten zu mischen, können Sie gleich wieder verschwinden.«
Seine Stimme klang so drohend, daß Leonard mit einem Achselzucken kapitulierte.
Vagg wandte sich ab und führte ihn durch einen weiteren kleinen Innenhof. »Hier waren die Lehrlinge untergebracht, als das hier noch zum Christ’s Hospital nebenan gehörte, das sind unsere besten Zellen. Für die, die es sich leisten können.«
Leonard war froh, dies zu hören, doch seine Erleichterung währte nicht lange. Regals Zelle war ein niedriger Raum mit kahlen, steinernen Wänden. Ein schmaler Schlitz ließ ein wenig Licht und Luft herein, doch ein übelriechender, offener Abwassergraben lief an den Wänden zu den Nachbarzellen entlang. Noch ehe er Regal ansah, suchte sein Blick nach der Ursache des Geruchs, und er stellte entsetzt fest, daß die Gräben voller Exkremente waren.
»Oh mein Gott«, rief er aus und eilte zu Regal hinüber, die auf einer steinernen Bank zusammengerollt lag. Mit beiden Händen umklammerte sie eine saubere Wolldecke, die einen scharfen Kontrast bildete zu dem verfilzten Stroh, das als Matratze diente.
»Nein, sie
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