Salz der Hoffnung
schon der Vergangenheit an. Du kennst die Antwort. Jetzt liegt es allein bei dir.«
Eine ganze Weile sprach keiner von ihnen ein Wort. Im Zimmer war es still, und es herrschte eine seltsame, sinnliche Atmosphäre. Regal spielte am Knopf ihrer Bluse und er öffnete sich. Es war keine große Sache, sie trug ohnehin ein Hemd darunter, aber es war ihr dennoch furchtbar unangenehm, und sie versuchte mit ungeschickten Fingern, ihn wieder zu schließen.
Jorge streckte ihr die Hände entgegen. »Laß das. Komm her zu mir.«
Er preßte sie an sich wie ein kostbares Kleinod, und sie fühlte einen verwegenen Stolz, daß ausgerechnet sie diesen Mann angezogen, daß er sie ausgewählt hatte. William hatte recht. Jorgensen war anders, das konnte sie jetzt bestätigen. Er war eine Naturgewalt, eine Lebenskraft. Jemandem wie ihm war sie nie zuvor begegnet, und sie wußte jetzt schon, daß dies auch in Zukunft nicht der Fall sein würde. Was sollte sie also tun?
Sie trat zurück, aber sie mußte sich dazu zwingen, denn sie genoß das Gefühl, seine Arme um sich zu haben, sie fühlte sich sicher darin. Beschützt.
»Wie lange wirst du in London bleiben?« fragte sie.
»Solange es dauert.«
»Was dauert?«
»Bis du mir sagst, daß du mich liebst. Leidenschaftlich. Für immer und ewig.«
Regal brach in ein so fröhliches Gelächter aus, daß es sie selbst verblüffte. Sie hatte durchaus Humor, aber meist verknüpft mit einer gewissen Schärfe, mit Distanz. Jetzt hatte sie diese Hemmungen einfach über Bord geworfen. Jorgensen hatte sie dazu gebracht, aus purer Glückseligkeit zu lachen, weil es keine Schranken zwischen ihnen gab, nichts, wovor man sich fürchten müßte.
Er betrachtete sie lächelnd. »Dein Lachen klingt wie Silberglocken. Hübsche, neue, glänzende Silberglöckchen. Du bist eine so wunderschöne Frau.«
Sie ließ die Arme sinken und sah ihn an. »Ist das alles nur Spiel? Ein Flirt?«
»Das werden wir ja sehen.« Als er sie küßte, war es, als sei Regals Welt zum Stillstand gekommen. Sie legte die Arme um seinen Hals und spürte atemlos, wie sein Mund sich über ihren legte, wie er sie so fest an sich zog, daß ihre Körper sich nahtlos ineinanderfügten. Dann beendete er den Kuß, nahm ihr Gesicht in seine Hände und sah ihr in die Augen. »Ich liebe dich und ich werde dich niemals gehen lassen. Du gehörst zu mir.«
Dann ließ er sie los. »Und jetzt muß ich gehen. Von nun an ist es besser, wir treffen uns anderswo. Dieses Haus …«
Sie nickte verstehend, doch zugleich hoffte sie, er werde noch bleiben.
»Und was nun?« fragte er und strich ihr ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht.
»Ich weiß es nicht. Dies gehört nicht zu meinen üblichen Morgenbeschäftigungen. Ich bin es nicht gewöhnt, Verehrer zu bewirten. Was, wenn mein Mann daheim gewesen wäre, Jorge? Was hättest du gesagt?«
Er knöpfte seine dicke Seemannsjacke zu. Regal hatte gemocht, wie sie sich anfühlte, rauh und männlich. »Magst du Balalaikamusik?« fragte er.
Was für ein unverschämter Kerl er doch war. Sie mußte schon wieder lachen. Er hatte gesagt, er wolle nichts von ihrem Mann hören. Offenbar war es ihm ernst damit. Regal war beeindruckt. Es war ein sehr kluger Schachzug. Das mußte sie sich merken. Wenn jemand dir im Wege ist, geh einfach an ihm vorbei. »Ich habe noch nie Balalaikamusik gehört.«
»Dann werde ich dich um sieben Uhr abholen und in ein russisches Lokal führen, wo das Essen ebenso gut ist wie die Musik.«
»Ein Gasthaus? Ich bezweifle, daß das der geeignete Ort für eine Dame ist.«
»Mein Liebling, du kannst hingehen, wohin es dir gefällt. Ist sieben dir recht?«
»Ja. Ich schätze schon.« Auf einmal war sie sich ihrer Sache nicht mehr so sicher, jetzt da er ging. Sie brachte ihn zur Tür.
»Wirst du deine Meinung inzwischen ändern?« fragte er.
»Ich weiß es nicht, Jorge. Ich weiß es wirklich nicht.«
»Nun ja, mehr kann ich im Augenblick wohl nicht erwarten.«
Sie ging ins Haus zurück und trat neben den Kamin, dorthin, wo er gestanden und den großen, bemalten Porzellanfuchs auf dem Sims betrachtet
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