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Salz der Hoffnung

Titel: Salz der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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hatte. Es war eine von Charles’ Trophäen. Sie hob sie hoch und begutachtete sie nun selbst. Die Figur war in einem häßlichen Rot bemalt, die Augen wirkten leer und besiegt. Mit Bedacht öffnete sie ihre Hand und sah zu, wie sie fiel und auf den Steinplatten vor dem Kamin zerschellte.
             
            Als er um Punkt sieben den Weg zum Haus heraufkam, hielt Regal schon nach ihm Ausschau, obwohl sie wußte, daß es Wahnsinn war. Wer war er denn überhaupt? Ein Seemann aus der Fremde, nicht einmal ein Gentleman. Sie öffnete ihm selbst.
            Er trat einen Schritt zurück und nickte anerkennend, als sie ihren Umhang überwarf und einen grauen Hut aufsetzte, dessen Krempe mit plissierter rosa Spitze gefüttert war. Die Hutmacherin hatte ihr versichert, daß dies ihrer hellen Haut ein inneres Leuchten verleihen werde. Nicht daß sie das heute nötig gehabt hätte, sie hatte das Gefühl, ihre Haut glühe vor nervöser Anspannung, als sie an seinem Arm das Haus verließ.
            Nachdem sie Woburn Place hinter sich gelassen hatten, entspannte sie sich ein wenig. Wir geben ein hübsches Paar ab, ging es ihr durch den Kopf. Beide im gleichen Alter, beide hochgewachsen. Er war weit über einsachtzig, sie einsachtundsechzig oder sogar etwas größer. Sie vermied es, ihre genaue Größe feststellen zu lassen, denn zierliche Frauen entsprachen hier drüben dem Schönheitsideal.
            »Es ist nicht weit«, sagte Jorge. »Der Spaziergang wird unseren Appetit anregen.«
            »Nicht weit« erwies sich als ein längerer Marsch um viele Häuserecken und über etliche Straßen hinweg, aber das machte ihr nichts aus, sie fühlte sich wohl in seiner Gesellschaft. Sie hatte ihren Arm durch seinen geschoben und ließ sich durch die unbekannten Straßen führen, bis sie schließlich Soho erkannte, das geschäftige Viertel, das vor allem durch seine vielen Gasthäuser und Schenken bekannt war. Charles hatte ihr davon erzählt, aber er hatte nie angeboten, sie einmal hierher mitzunehmen.
            Das Restaurant Troika lag im Obergeschoß, weit weg von den üblen Gerüchen der Straße. Überfüllt und von zahlreichen Kerzen erhellt, schien es ein einziges Durcheinander aus Lärm und Gelächter, und sie mußten sich um dicht besetzte Tische herumdrängen und mehrere kurze, mit Teppichen bedeckte Treppen hinauf- und wieder hinabsteigen, um zu den seitlichen Tischen zu gelangen, die mit reich bestickten Vorhängen voneinander abgetrennt waren. Schließlich saßen sie an einem von ihnen, mit dem Rücken zur Wand, und hatten kaum genug Platz zum Luftholen. Erstaunlicherweise machte der Kellner sie in diesem Gedränge mühelos ausfindig, und nach einiger Beratung gab Jorge ihre Bestellung auf. Regal hatte nie etwas wie diesen Ort gesehen, aber es war aufregend, und sie waren einander so nahe, daß Jorge einen Arm um sie legen konnte. »Alles in Ordnung?«
            Sie nickte und wollte etwas sagen, doch in diesem Moment begannen die Musiker zu spielen, und drei Männer in Kosakenuniformen sprangen in die Raummitte und zeigten einen so schnellen und furiosen Tanz, daß Regal begeistert mit den anderen Gästen applaudierte. Sie waren großartig. Danach änderte sich die Musik, und zu den sanften Klängen der Balalaika gesellte sich ein Zigeuner mit seiner Geige und spielte seine eindringlichen Weisen. Es kam ihr vor, als befänden sie sich in ihrer ganz eigenen Welt, als sei die Musik nur für sie beide da. Sie trank von ihrem Wein und aß die fremdartigen Speisen, und die ganze Zeit lächelte er auf sie hinab, wollte, daß sie glücklich war, küßte sie zärtlich und flüsterte ihr ins Ohr. Es war romantisch, es war genau das, was sie ihr Leben lang entbehrt hatte: einem anderen ganz nah zu sein, die restliche Welt ausgesperrt.
            »Zeit zu gehen«, sagte er schließlich, und sie war enttäuscht. Sie wünschte, sie könnten bleiben, bis das Lokal schloß, aber er war schon aufgestanden und führte sie fort. Nahe der Tür trat ein älterer Mann zu ihnen und sprach mit Jorge, ohne Regal auch nur eines Blickes zu würdigen, obwohl er offenbar ein Gentleman war in einem modernen, gutgeschneiderten Rock.
            »Wer war das?« fragte sie.
            »Ein Freund.«
            »Aber was für eine Sprache war denn das? Französisch?«
            »Nein, Spanisch.«
            »Ich wußte nicht, daß du spanisch

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