Salz der Hoffnung
bestimmt nicht auf, wenn du ab und zu in seinen Laden kommst und eine Kleinigkeit kaufst. Und er wird dich über mich auf dem laufenden halten.«
»Wie kann er das? Woher wird er es wissen?«
Er zuckte die Schultern. »Vertrau mir. Er wird es wissen. Von Freunden. Also sorge dich nicht. Aber was immer du tust, keine Briefe. Setze niemals deinen Namen unter einen Brief an mich, und auch ich werde dir nicht schreiben. Es ist zu gefährlich. Briefe können abgefangen werden, du könntest in Gefahr geraten.«
Endlich verstand sie, warum er so darauf bestanden hatte, daß sie ihn ihren Freunden gegenüber nicht erwähnte, doch es war ihr kein Trost.
»Ich wünschte, ich könnte irgend etwas tun, um dir zu helfen«, sagte sie. »Ich komme mir so nutzlos vor.«
»Es gib nichts, das du tun könntest, mein Liebling, außer an mich zu denken und auf mich zu warten. Und jetzt komm ins Bett und sag, daß du mir vergibst, daß ich dich schon wieder verlasse.« Er begann, ihr Kleid aufzuknöpfen. »Du hast so schön ausgesehen heute abend, ich war sehr stolz auf meine Frau. Nichts wird mich daran hindern, zurückzukommen und dich zu holen.«
Er schlief. Sein Arm hielt sie besitzergreifend umfaßt und wollte sie trösten, ihr ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit geben, aber sie fühlte sich gefangen. Nächtliche Nebelschwaden schwebten verstohlen wie Gespenster zum offenen Fenster herein, um ihre Ängste aufzuspüren. Sie riefen Bilder aus den alten nordischen Sagen hervor, die Jorge ihr erzählt und die sie im hellen Tageslicht erfreut hatten; doch jetzt wurden die Feen und Kobolde zu finsteren Unholden, die sich kichernd heranschlichen, um ihn zu holen und in ihr Schattenreich zu entführen.
Sie wagte nicht, sich zu rühren, weil sie ihn nicht wecken wollte. Also blieb ihr nicht anderes übrig, als zu warten, bis der Tagesanbruch die Dämonen verscheuchte. Es kam jedoch nur ein düsteres Morgengrauen, das eine Wirklichkeit mit sich brachte, die viel furchterregender war als die Gespinste der Nacht und sie schaudern ließ. Sie hatte die gewaltigen englischen Kriegsschiffe auf der Themse liegen sehen, diese massiven Zerstörungsmaschinen mit Dutzenden von Kanonen, deren Mäuler hinter den Luken lauerten. Welche Chance konnte er haben gegen eine so erdrückende Übermacht? Was für ein Wahnsinn … sie streichelte sein Gesicht … diesen wundervollen Körper, dieses kostbare Leben den Gefahren der Meere auszusetzen.
Er regte sich fast unmerklich. Noch im Halbschlaf beugte er sich über sie, murmelte etwas, dann lagen seine Lippen auf ihren und seine starken Hände zogen sie an sich; und als sie sich liebten, vergaß sie alles andere außer ihm. Jorge. Er war jetzt ihr Leben.
Als sie ihm später beim Ankleiden zusah, so lebendig, so vital, machte er ihr Mut mit seinem Lachen, seiner Verwegenheit, mit der er die vor ihm liegende Herausforderung annahm. Sie wünschte, sie könnte mit ihm kämpfen, an seiner Seite siegen oder sterben. »Was für ein jammervolles Dasein wir Frauen doch fristen«, sagte sie schließlich. »Immer werden wir beiseite geschoben, wenn ihr Männer die höchsten Gipfel erstürmt.«
Sie hatte mit Mitgefühl gerechnet, ein paar beruhigenden Worten, aber er stimmte ihr zu. »Du hast recht. Es ist kein Spaß, zurückgelassen zu werden.«
»Spaß? Du klingst wie ein Schuljunge. Krieg ist kein Spaß.«
Er hob sie lachend aus dem Bett. »Aus den Federn mit dir, der Tag wartet. Und glaub mir, mein Liebling, Kapitän meines eigenen Schiffes zu sein wird ein ungeheurer Spaß für mich. Ich werde einer der jüngsten Kapitäne der Flotte sein, und alle werden sie noch von Jorgensen hören. Ich werd’ ihnen was zu denken geben. Nicht nur Dänemark, sondern den Engländern auch, du wirst schon sehen.«
Eins mußte man englischen Hausangestellten wirklich lassen, dachte Regal, als sie zu ihrem Zimmer hinaufeilte: Sie verstanden sich auf ihr Geschäft, sorgten dafür, daß alles reibungslos weiterlief, vermutlich selbst dann noch, wenn das Dach einstürzte.
»Guten Morgen, Madam«, hatte der Butler gesagt, als er ihr die Tür öffnete. »Wird Madam zum Lunch hier sein?«
»Ja, und zum Dinner auch. Gibt es Nachricht von Mr. Howth?«
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