Salz und Asche - Roman
ich habe ihm den Kopf immer schnell wieder
gerade gerückt. Ich will keinen anderen. Was ist mit dir? Über dich haben wir gar nicht gesprochen. Hat dein Vater schon einen Bräutigam für dich?«
»Mein Vater hätte zurzeit nicht einmal eine Mitgift für mich. Und das wäre gar nicht schlimm, wenn ich nicht das Gefühl hätte, überflüssig geworden zu sein.«
Kathi sah sie verblüfft an. »Da ist mir wohl einiges entgangen. Was hältst du davon, mich morgen früher zu treffen und mir zu erzählen, was dich so plötzlich überflüssig gemacht hat?«
Susanne zögerte nicht, zuzusagen. Seit vielen Wochen hatte sie sich nicht mehr so lebendig und froh gefühlt wie im Gespräch mit Kathi.
Am nächsten Tag saßen sie zwischen den Mühlen am Ufer der Ilmenau im Schatten und sahen zu, wie das Sonnenlicht auf dem Fluss glitzerte, während Susanne erzählte.
Kathi hörte fassungslos zu, besonders als Susanne zum Ende kam und gestand, dass sie bei aller Leichtigkeit ihres Daseins den Blick auf die Zukunft bedrückend fand. »Wenn ich mir vorstelle, dass ich den Rest meines Lebens unter Dorotheas Fuchtel in unserem Haus verbringen soll …«
»Mein Kind, das ist ja Unsinn. Wenn du willst, bringe ich dir morgen fünf anständige Freier, die dich ohne Mitgift vom Fleck weg heiraten und dir einen eigenen Hausstand verschaffen. Aber wenn ich du wäre, dann würde ich etwas anderes tun. Such dir eine Arbeit für Geld. Du wirst sehen, das wirkt Wunder. Mag deine Familie davon halten, was sie will, aber du wirst dich gleich viel besser fühlen. Jedenfalls, wenn du keine schlechte Arbeit aussuchst.«
»Aussuchst? Du machst Scherze, Kathi. Was soll ich
denn machen? Mich als Magd verdingen oder Kerzen ziehen? Vater und Martin träfe der Schlag.«
»Die Hutmacher und Seidensticker nehmen Frauen sogar zur Lehre an. Überhaupt Sticken und Häkeln und all das Zeug, wofür ich kein Händchen habe. Oder … hast du schon vom Klöppeln gehört? Das ist neu. Ein paar Schifferfrauen machen auf die Art feine Spitze. Damit verdienen sie sich schnell mehr als nur zwei Heller. Oder … du kannst doch lesen, oder nicht? Ich kenne eine Frau, die in ihrem Haus Mädchen gegen kleines Geld das Lesen beibringt. Du musst findig sein! Es muss nur als ehrbar gelten, was du tust, dann wirst du deinen Vater schon überreden. Er muss doch dankbar sein, wenn du dich selbst um deine Aussteuer bemühst.«
Sie rätselten noch eine Weile gemeinsam, was eine unverheiratete junge Frau arbeiten konnte, die sich nicht als Magd verdingen wollte, doch den verwegensten Einfall hatte Susanne später, als sie vom Hafen zurück zu Lossius’ Haus ging. Vor der Druckerei blieb sie stehen. Unverändert hing dort das kunstvolle Gesuch nach Bildmalern. Fragen würde nichts weiter kosten als Mut, dachte sie. Und vielleicht bekäme sie auf diese Art immerhin einmal das Werkzeug eines solchen Malers zu Gesicht.
24
Weißdorn und Gallapfel
H inter der Durchfahrt des Druckereigebäudes erstreckten sich dessen Haupt- und Nebenflügel weit in die Hinterhöfe hinein. »Anfrage im Hinterhaus« hatte auf dem Aushang gestanden, daher ging Susanne am Hauptgebäude entlang, bis der erste Seiteneingang in Sicht kam. Bevor sie die Tür erreichte, kamen jedoch bereits zwei Männer in fleckigen grauen Kitteln aus dem Nebenflügel und grüßten sie. Zwischen sich trugen sie ein schwarzes Eisengestell, das ähnlich aussah wie ein Tisch.
Susanne holte tief Luft. »Ich wollte mich wegen des Gesuches nach Bildmalern erkundigen. Hättet Ihr die Güte, mir zu sagen, an wen ich mich wenden muss?«
Die beiden setzten das Gestell ab und musterten sie überrascht. »Herr Lampe ist gerade hineingegangen, aber er hat heute wenig Zeit. Wir bauen eben eine neue Druckmaschine auf. Vielleicht geht Ihr mal da hinten hinein, wo die Farbkleckser sitzen, und fragt nach seinem Neffen oder seiner Nichte.«
Susanne musste noch zwei Mal fragen, bevor sie den Raum gefunden hatte. Es roch nach Essig, Ruß, Lauch und Wein, fast wie in einer Küche. Nur zwei Männer saßen vor den großen Fenstern an ihren Tischen und beugten sich über ihre Arbeit. Drei weitere hatten sich vor einem Stehpult versammelt und beratschlagten über etwas.
In einer Ecke stand ein alter Mann an einer abgenutzten Werkbank und führte einem Jungen im Lehralter vor, wie man Farben herstellte. Er füllte eben ein rostrotes Pulver aus einem Mörser in eine Glasflasche um.
Aus einem Nebenraum waren noch mehr Stimmen zu hören, die
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