Salz und Asche - Roman
gefunden habt.«
»Da wirst du mehr kosten, als du wert bist. Glaube nicht, dass du noch Geld dafür bekämest, wenn du hier Papier und Farbe vergeudest. Für Lehrlinge ist Lehrgeld üblich, und nicht Lohn. Was sagt dein Vormund dazu?«
»Da ich kein Lehrling wäre, würde ich auch kein Lehrgeld zahlen. Ohne Lohn kann ich vorerst bleiben. Bis Ihr seht, ob ich mit der Arbeit zurechtkomme. Meinen Vater werde ich überzeugen, wenn Ihr zustimmt. Er bewundert schönes Druckwerk.«
»Lesen und Schreiben kannst du also, ja?« Sie stand auf und ging zu einem der Regale. Mit beiden Händen hob sie eine ledergebundene große Bibel heraus, schlug sie auf und gab sie Susanne. Sie tippte auf eine Stelle, die mit einer Initiale begann, deren Schönheit Susanne lächeln ließ. »Lies vor.«
Susanne las die sauber gedruckte Bibelseite ohne Schwierigkeiten vor und schlug behutsam die Seite um, weil sie gern die nächsten Bilder sehen wollte. Die Frau ließ sie gewähren, unterbrach sie jedoch, bevor sie weiterlesen konnte. Sie tippte auf die farbig ausgemalten Initialen und die atemberaubende Illustration. »So etwas machen wir für gut zahlende Sammler und Liebhaber der Kunst. Für alle anderen wird nur noch schwarz auf weiß gedruckt. Glaubst du wirklich, du könntest so sauber ausmalen?«
Susanne seufzte. »Zumindest wäre ich stolz, wenn ich es nur halb so gut könnte.«
Die Frau schnaubte. »Als ich den Aushang malte, hatte ich nicht vor, tagträumende Jungfern anzulocken. Aber was ich bisher damit angelockt habe, taugte auch alles nichts. Setz dich da an den Tisch mir gegenüber und mal mir etwas. Meinetwegen eine Abecedarium-Seite für deine kleine Schwester, das ist mir gleich. Ich will sehen, wie du dich anstellst. Mein Name ist Uhrmeister, nebenbei. Du magst namenlos bleiben, wenn du zu schüchtern bist, dich vorzustellen.«
Susanne lächelte mühsam. »Büttner. Susanne Büttner.«
Als sie mit entschlossenen Handgriffen begann, Ordnung auf dem liederlichen Arbeitsplatz zu machen, spürte sie die Blicke der Männer in ihrem Rücken brennen. Trotzig flehte sie zum Himmel, dass ihre Hände nicht zittern und dass sie sich vor der kühlen Frau Uhrmeister nicht blamieren möge.
Eine Stunde später stand Frau Uhrmeister nah am Fenster und hielt das Blatt Papier, das Susanne als Abecedarium-Seite für die Buchstaben S und T gestaltet hatte, nachdenklich ins Licht. Aus dem S hatte sie eine Schlange gemacht, aus dem T einen Tänzer mit ausgebreiteten Armen.
Erst jetzt begannen Susannes Hände schließlich doch noch zu zittern. Die Farben und Pinsel waren ihr so fremd gewesen, dass sie stets erst auf einem Papierrest hatte ausprobieren müssen, wie sie wirkten. Wenn sie an die prachtvollen Bilder dachte, die sie zuvor gesehen hatte, konnte sie sich nicht vorstellen, dass Frau Uhrmeister zu ihren Gunsten entscheiden würde. Mit heißen Wangen versuchte sie, weitgehend erfolglos, die Farbflecke von ihren Fingern zu reiben.
Frau Uhrmeister nickte. »So hast du das also gemacht. Ich bin sicher, deine Schwester hat inzwischen Lesen gelernt. Hat sie dein Büchlein noch? Kannst du es mir morgen einmal mitbringen?«
Susanne erstarrte. »Ich darf wiederkommen?«
»Nun, du stümperst, das war nicht anders zu erwarten. Aber vielleicht haben wir dennoch etwas, an dem du dich versuchen kannst. Ich werde heute Abend mit meinem Bruder und meinem Onkel darüber sprechen, und du kannst morgen wieder nachfragen. Übrigens musst du dir die Hände mit Seife waschen. Manche Farben sind giftig, wie du hoffentlich weißt.«
Susanne konnte sich später nicht daran erinnern, wie sie es geschafft hatte, die Druckerei zu verlassen, ohne gegen Truhen, Türen oder Männer zu laufen, so blind war sie vor Aufregung. Sie konnte nicht fassen, was sie getan hatte, und noch viel weniger glauben, dass ihr Erfolg vergönnt sein würde. Aber sie wusste mit völliger Sicherheit, dass sie etwas gefunden hatte, das sie unbedingt tun wollte.
Seit Dorothea im Haus war, wurde nicht mehr in der Küche gegessen, sondern auf der Diele, wo es weit geräumiger, aber auch ungemütlicher und dunkler war. Die Mahlzeiten waren nicht nur deshalb eine ernsthaftere Angelegenheit geworden, sondern auch, weil die Kinder, nachdem sie reihum lange Gebete vorgesprochen hatten, auf Dorotheas Betreiben hin schweigen mussten. Sie hielt überhaupt nichts von Gesprächen bei Tisch und machte keinen Hehl daraus.
Susanne hatte zunächst gedacht, das drückende Schweigen würde
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