Salz und Asche - Roman
angeregt durcheinandersprachen.
Susanne hatte sich eine Bildmalerwerkstatt ordentlicher und stiller vorgestellt, gerade nachdem sie gelesen hatte, dass ein »reinlicher« Mensch für diese Arbeit gesucht wurde. Nur einer von den sechs Tischen, die offenbar als Arbeitsplätze für die Maler dienten, war so aufgeräumt, dass sie selbst daran hätte arbeiten mögen. Auf den anderen war zwischen verkrusteten Farbbehältern, großen, farbverschmierten Muschelschalen, neuen und abgenutzten Federn, Pinseln, Wischern, Lumpen und Papierknäulen kaum Platz, um einen Bogen Papier auszubreiten.
Dennoch war Susanne von Ehrfurcht überwältigt. Es gab zwei Regale im Raum, und schon in einem davon standen und lagen mehr unterschiedliche Bücher, als sie je auf einem Fleck gesehen hatte. Insgesamt mussten es sicher achtzig sein, und auf den Tischen lagen noch weitere Druckwerke, aufgeschlagen oder mit eingelegten Merkzetteln versehen. Sie fühlte, wie ihr Mut sank. Wie war sie auf den lächerlichen Gedanken gekommen, sie könne hierherpassen? Noch hatte niemand sie bemerkt, sie konnte leise wieder gehen. Sie war kurz davor, sich wieder zur Tür zu wenden, da fiel sie dem alten Mann mit dem Mörser in der Hand doch noch auf. »Holla, Jungfer. Gott zum Gruß. Habt Ihr Euch verlaufen?«
Susanne schlug das Herz bis zum Hals. Stell dir vor, du fragtest für jemand anderen und nicht für dich, befahl sie sich. »Gott zum Gruß. Nein, ich habe mich nicht verlaufen.
Ich habe den Anschlag draußen gelesen und mich gefragt, was ein Bildmaler wohl können muss. Man riet mir, mich hier zu erkundigen.«
Von einem Augenblick auf den anderen hatte sie die Aufmerksamkeit aller Anwesenden und errötete. Mindestens einer der Männer am Lesepult betrachtete sie mit unverhohlener Verachtung, und die beiden Maler an den Tischen senkten nach einer kurzen Musterung ihren Blick wieder auf ihre Arbeiten.
Der Farbenmischer lächelte. »Erkundigt Ihr Euch für einen Verwandten? Dann ist es das Beste, Ihr wartet auf Herrn Stelter. Er ist nebenan.«
Susanne ließ alle Hoffnung fahren. Niemals würde sie hier auch nur einen Pinselstrich versuchen dürfen. Aber jetzt zu fliehen wäre ihr noch weit peinlicher gewesen.
Die Einschätzung, dass sie für einen Verwandten vorsprach, schien alle beruhigt zu haben. Nur der Lehrjunge warf ihr noch hin und wieder neugierige Blicke zu.
Einige Minuten lang hatte Susanne Zeit, ihren unsinnigen Wagemut zu bereuen, bevor zu ihrer Überraschung eine Frau aus dem Nebenraum kam, die ihrer bunt gesprenkelten Schürze nach ebenfalls mit Farben zu tun hatte. Sie war groß und dünn wie eine Zaunlatte. Ihre Nase ragte weit aus dem hageren Gesicht hervor. Ihr Kleid war schlicht, aber aus bestem grauen Leinen geschneidert.
Sie trug einen Stapel Papierbögen und starrte so angestrengt auf das oberste Blatt, dass auch sie Susanne erst einmal übersah. Zielstrebig steuerte sie den einzigen Arbeitstisch an, den Susanne für aufgeräumt befunden hatte, und legte die Bögen dort ab. Erst dann blickte sie auf und bemerkte den Gast. Erstaunt zog sie die Brauen nach oben.
»Möchte sich für einen Verwandten wegen der freien Stelle erkundigen«, erklärte der alte Farbenmischer.
Die Frau ließ die Brauen sinken. »Ach, ja? Was möchtest du denn wissen, Mädchen?«
Susanne war zu verblüfft, um noch an Höflichkeit zu denken. »Was man können muss, wüsste ich gern. Und es ist nicht für einen Verwandten.«
Wieder wandten sich ihr alle Blicke zu, doch darauf war sie diesmal gefasst. Sie sah nur der Frau in die Augen, die nun ihre schmalen Lippen ein wenig spöttisch verzog. »So? Für wen dann? Und warum kommt er nicht selbst?«
Susanne nahm all ihren geschrumpften Mut zusammen. »Nun, ich habe den ausgemalten Aushang mit dem Gesuch gesehen. Und ich habe mich gefragt, ob ich selbst nicht lernen könnte, so etwas zu machen.«
»Hat sich eben doch verlaufen«, sagte der missmutige Mann am Lesepult.
Die Miene der Frau war kaum freundlicher. »Warum glaubst du, dass du das könntest? Wir nehmen keine Frauen in die Lehre. Und überhaupt suchen wir keinen Lehrling, sondern jemanden, der gleich arbeiten kann. Hast du jemals ein Bild gezeichnet oder ausgemalt?«
Susanne griff nach dem nächstbesten Strohhalm. »Ich habe meiner Schwester ein Buch mit Bildern gemacht, als ich sie lesen lehrte, deshalb glaube ich, dass ich es lernen kann. Vielleicht könntet Ihr es mich probieren lassen, bis Ihr einen richtigen Bildmaler für die Stelle
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