Salz und Asche - Roman
mitgespielt, weil Kathis Jockel einer von ihnen ist.«
»Es wundert mich, dass Kathi so weit gegangen ist, dir zu helfen. Ich dachte, sie würde sich aus der Sache eigentlich auch lieber heraushalten.«
»Ja, das kann sein. Aber sie mag mich.« Er lächelte und strich sich die Locken hinter das Ohr.
Seine Koketterie beunruhigte Susanne. »Du tändelst doch nicht mit ihr? Sie ist verheiratet, Till.«
Er lachte. »Ach, was! Auf die Art sehe ich sie nicht. Ich mag sie, weil sie eine kluge Frau ist. Manchmal erinnert sie mich ein bisschen an Mutter.«
»Kathi? An Mutter? Unsinn.«
»Na ja, sie ähnelt Mutter nicht so, wie du ihr ähnelst. Aber Mutter hatte auch so eine Sicht auf die Menschen. Hat ihnen immer das Schlimmste zugetraut und sie doch irgendwie geliebt. Verstehst du?«
Susanne erinnerte sich daran, dass ihre Mutter im Gegenteil zumindest von ihr stets eine bessere Meinung gehabt hatte als sie selbst. Bis sie begriff, dass Till von sich sprach. Daher rührte auch der verlegene Unterton in seiner Stimme. Ihre Mutter hatte von ihm meist zu Recht nichts als Unfug erwartet und ihn dennoch innig geliebt. Sie seufzte. »Was sie wohl zu dieser Sache gesagt hätte?«
Till lächelte. »Mutter? Sie hätte vielleicht das Gleiche getan wie du. Wäre vor die Stadt hinausgelaufen und hätte beim Hudenvogt unter das Bett geguckt.«
»Aber was hätte sie dann getan? Was tun wir jetzt, Till?«
»Wir fühlen am Sonntag dem Herrn von Waldfels auf den Zahn. Falls er bis dahin nicht geflohen ist. Und vielleicht finden die Schiffer noch für uns heraus, wo man die Kinder hingebracht hat.«
»Was tun wir für Albert? Fällt dir nicht ein, wie wir Wenzels Mörder finden können?«
Till gab ihr einen zärtlichen Klaps gegen den Kopf. »Hörst du dich eigentlich reden, Schwesterchen? Der wahre Mörder ist eben genau das: ein Mörder. Du wirst den Teufel tun und hinter ihm herlaufen. Überlass das anderen.«
»Aber wir können doch nicht nur abwarten. Stell dir vor, sie würden morgen beschließen, Albert aufzuhängen. Da sind doch einige im Rat, die unbedingt den neuen Galgen benutzt sehen wollen. Sollen wir einfach zusehen?«
»Jedenfalls schleichen wir niemandem nach, der sich jeden Augenblick umdrehen und uns den Schädel einschlagen könnte. Sei vernünftig, Suse. Lass Niehus ihn suchen, er ist ihm vielleicht schon auf der Spur.«
»Hat er das gesagt?«
»Er war mit mir darin einig, dass du nicht noch einmal so etwas Gefährliches unternehmen sollst. Also lass es, sonst …« Till unterbrach sich und betrachtete sie nachdenklich.
So schuldig Susanne sich auch fühlte, es ärgerte sie doch, dass er mit ihr sprach wie mit einem Kind. »Sonst?«
Die Miene ihres Bruders verschloss sich und wurde wieder zu der ernsten Maske, die ihr an ihm so fremd war. »Ach, nichts«, sagte er.
»Hat es was mit Jan zu tun, dass du so seltsam bist?«
»Hm. Kann sein. Vielleicht schlage ich ihm doch noch die Nase ein.«
»Untersteh dich.«
»Und du nimmst dich in Acht. Du scheinst wirklich nicht zu wissen, was gut für dich ist.«
Auch diesmal saß Schmitts Katze Minka bei dem alten Kaninchenstall im Hinterhof des schiefen Hauses, und Susanne schloss daraus, dass Jan schon auf sie wartete. Dennoch öffnete sie die Tür vorsichtig und mit klopfendem Herzen.
Sie hatte sich zu Hause davongestohlen, ohne jemandem einen guten Grund dafür zu nennen. Ihr war beim besten
Willen keine Ausrede eingefallen, außer die Lust auf einen Spaziergang. Auch wegen Regine machte sie sich Sorgen. Dennoch hatte sie kommen müssen. Gerade nach ihren unklugen Entscheidungen musste sie Jan sehen.
Auf dem Weg hatte sie die Angst verfolgt, dass er gar nicht kommen würde, weil sie ihn verärgert hatte. Nun, da sie ihm gleich gegenüberstehen würde, hielten Herzklopfen und Magendrücken sich wieder einmal die Waage. Sie freute sich darauf, ihn zu sehen, und fürchtete gleichzeitig das Gespräch mit ihm.
Er stand angelehnt im Türrahmen der unteren Stube und blickte ihr entgegen. Sobald sie über die Schwelle getreten war, kam er auf sie zu und nahm sie in die Arme. »Du bist gekommen«, sagte er leise und küsste sie, ohne auf eine Antwort zu warten.
Sie stellte fest, dass in seinen Küssen ein Zauber lag. Seine Lippen nahmen ihren Bedenken das Gewicht. Hatte sie ihm eben noch unendlich viel erklären und sich rechtfertigen wollen, fand sie nun, dass es für ihren Mund eine bedeutsamere Beschäftigung gab. Sie schmiegte sich so eng an ihn, dass
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